Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
Anke und sie seien ein gutes Team. Und so schien es im Grunde auch jetzt noch zu sein, denn sie arbeiteten wunderbar Hand in Hand.
War das ein Eindruck, den nur sie hatte? Traurig ging sie wieder nach vorn in die Anmeldung.
„Hast du den Termin zum Ultraschall hier eingetragen?“, fragte Anke kopfschüttelnd.
„Ja, schon vor zwei Wochen.“
„Es war doch bekannt, dass Heiner an diesem Tag zur Fortbildung ist.“
„Mir nicht“, entgegnete Marie-Sophie resigniert,
„sonst hätte ich den Termin wohl kaum vergeben.“ Ein leichtes Unwohlsein breitete sich in ihrer Magengegend aus. Es wurde zu einem Kloß in ihrem Hals. Sie zog sich an den anderen Arbeitsplatz zurück und begann Arztberichte einzuscannen.
„Hättest du dann jetzt wenigstens die Güte, Frau Grimme anzurufen und den Termin umzulegen?“ Marie-Sophie drehte sich um und sah sie an. „Das ist nicht notwendig. Frau Grimme kommt nachher rein, um noch mal Urin abzugeben.“
„Aha!“
Damit war das Gespräch beendet. Schweigen breitete sich wieder aus. Es hatte eigentlich nie aufgehört, und Marie-Sophie wunderte sich, dass das Schweigen so groß sein konnte in einem Raum, der nicht still war.
Um sie herum gab es Worte, das Telefon klingelte und beide sprachen – nur nicht miteinander.
Mit einem Mal spürte sie, wie die Übelkeit in ihrem Magen zunahm. Gleichzeitig fühlte sie sich wie in Watte gehüllt. Alles schien zu entrücken wie in einem Rausch. Sie ging ins Labor zurück. Leslie sah sie an und sagte: „Mensch Marie, du siehst aber überhaupt nicht gut aus.“
„Mir ist auch nicht gut.“
„Trink mal lieber etwas Kaltes, aber in kleinen Schlucken. Warte, ich gebe dir dein Wasser aus dem Kühlschrank.“
Marie-Sophie hatte sich in den Stuhl gesetzt, der sonst den Patienten zum Blutabnehmen vorbehalten war. Sie 87
trank vorsichtig nach und nach das Wasser aus, doch plötzlich stellte sie ihr Glas ab und rannte zur Toilette.
Leichenblass kehrte sie eine halbe Stunde später zurück.
„Leslie, bitte entschuldige mich beim Doktor. Ich muss nach Hause. Ich kann gar nichts mehr bei mir behalten. Außerdem fühle ich mich krank.“ Ohne sich noch umzuziehen nahm sie ihre Jacke aus dem Spind und lief aus der Praxis. Anke warf sie nur ein kurzes „Ich bin krank!“ zu. Auf dem Weg zum Auto spürte sie, dass sie es nicht bis nach Hause schaffen würde und wühlte eine Plastiktüte aus der Jackentasche. Sie kämpfte mit ihrem Gleichgewicht. Es fiel ihr sichtlich schwer, gerade stehen zu bleiben. Auch die Geräusche schienen mit einem Mal so weit entfernt zu sein. Nur mit großer Mühe erreichte sie ihr Haus im Nordkamp und warf die gebrauchte Plastiktüte noch draußen in die Mülltonne. Es fiel ihr nicht leicht, den Schlüssel richtig im Loch zu platzieren. Er ließ sich auch schlecht umdrehen, und die Übelkeit wurde wieder unerträglich. Gerade eben schaffte sie es noch zur Toilette. Ihre Hündin Aisha stand neben ihr und wedelte.
„Jetzt nicht, Aisha!“, stöhnte sie. Mit letzter Kraft kroch sie die Treppe zum Schlafzimmer hoch, schnappte sich unterwegs den Eimer aus dem Bad und hatte ihn gefüllt, noch bevor sie sich endlich hinlegen konnte. Auch das Wasser an ihrem Bett vermochte den Magen nicht zu beruhigen. Was sie trank, kam retour, bis sie irgendwann schwach und ausgelaugt wie in Trance einschlief.
Anke grinste immer noch in sich hinein, wenn sie daran dachte, wie Marie-Sophie die Praxis in großer Eile verlassen hatte. Weiß wie die Wand war sie gewesen. Liebevoll tätschelte sie das kleine Fläschchen Tramal in ihrer Hosentasche. Für heute hatte sie ihr Ziel erreicht.
Zweiundzwanzig
Abgehetzt und mit wüster Frisur kam Wolf Hetzer in sein Büro gestürmt.
„Kaffee!“, rief er Peter zu und ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen.
„Wie siehst du denn aus und wo kommst du jetzt her? Warst du beim selben Friseur wie Nadja?“
„Willst du mich beleidigen? Die schneidet sich doch bestimmt die Haare selbst. Stell dir vor, ich hab’ verschlafen.“
„Du? Nicht zu fassen!“
„Mein Weckkommando hat versagt“, lachte Wolf.
„Normalerweise springt wenigstens einer der Kater auf meinen Bauch oder der Hund kratzt sich aufmüpfig. Moni hat mich als letzte Instanz gerettet, weil sie sich gewundert hat, dass ich ihr Lady Gaga noch nicht gebracht hatte.“
„Ganz schön viele Leibeigene als Sklaven um dich rum. Wie wäre es mit einem Wecker?“
„Ich hatte einen Weckruf im Handy“, grummelte Wolf.
„Ach,
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