Heuchler
brauchte, um für ein paar Sekunden alles noch einmal zu erleben. Um zu hören, wie sie geschrien hatten, um zu spüren, wie ihr letztes bisschen Atem sich mit seinem vermengt hatte, wie ihr Blut schmeckte und wie letztlich ihre Verzweiflung aus den toten Augen gewichen war … ein Hochgefühl jagte das nächste!
ER beruhigte sich ein wenig und drückte dann die SENDEN-Schaltfläche. Im Geist verfolgte er den Weg seiner E-Mail, wie sie zuerst über sein Satellitentelefon hinaus ins All geschossen wurde. Dort fing sie ein Satellit auf, zerstückelte die Daten, um sie schließlich wieder zurück zur Erde zu katapultieren. Beim ersten Server angekommen, würde sich die E-Mail eine fremde IP-Adresse stehlen und sich anschließend an zehn zufällig ausgewählte E-Mail-Adressen im Raum Nürnberg versenden.
Auch wenn sie ihn verachteten, eine kleine Chance wollte er ihnen lassen! Das war sozusagen das Salz in der Suppe, denn ohne einen Hinweis würden sie nie kapieren, wie mächtig er zusammen mit seinem Dämon war.
Sanft schloss er den Monitor des Laptops, prüfte kurz, ob die Tür aus den abgeschlagenen Ästen einer Eiche noch frisch genug war und nahm dann wieder die Buntstifte zur Hand.
– 10 –
Der Montagmorgen begann sonnig und warm, sodass die ganze Familie noch vor dem Frühstück ein kurzes Bad nahm. Der Ausblick aus dem Anbau mit dem Pool war atemberaubend. Zur Linken standen die mächtigen Tannen des nahen Waldes, der sich über den Hang bis hinunter zum Wasser zog. Dichte Nebelschleier zogen über den spiegelglatten See und man hatte fast den Eindruck, dass der Nebel den Wald suchte, um darin Schutz vor der Sonne zu finden.
Petra stand am Rand des Pools und genoss sowohl das warme Wasser als auch den Blick auf die Natur. Die beiden Kinder hatten sich bereit erklärt, das Frühstück zu machen, was Mike und seiner Frau ein paar zweisame Minuten verschaffte. Mike tauchte einmal der Länge nach durch das Becken, stellte sich hinter Petra und umschloss sie mit seinen Armen. »Da oben wäre ich jetzt gerne mit dir!«, flüsterte er und deutete auf eine kleine Lichtung, knapp unterhalb des Gipfels. Ihr Blick folgte dem Berghang, der fast direkt hinter dem Haus begann und sich sanft in die Höhe zog. Auch sie konnte sich das Gefühl vorstellen, dort oben im Gras zu liegen und den gesamten See unter sich zu haben. Ebenso leise fragte sie: »Und was würden wir dort machen?«
»Uns frei fühlen«, erwiderte Mike und drückte sich etwas fester an ihren Körper.
»Schon wieder?«, fragte sie verschmitzt, löste sich dann aus seiner Umarmung und stieg aus dem Pool. »Die Kinder warten!«
Mike sah sie böse an: »Du bist eine Spielverderberin!«
Sie ignorierte den Satz, zog sich ein dünnes Kleid über und ging in das eigentliche Wohnhaus. Mike ließ noch einmal den Blick über den dunkelgrünen Berghang gleiten und stutzte.
War das Nebel, oder Rauch? Fast schon durch die Hausecke verdeckt, dort wo eine kleine Felsformation aus dem Wald ragte, hatte sich ein weißes Wölkchen aus den Baumkronen gelöst und schwebte in den Himmel. Mike starrte weiter auf die Stelle, die geschätzt einen halben Kilometer weit weg war, konnte aber nichts mehr erkennen. Bestimmt nur Nebel , beschloss er und stieg ebenfalls aus dem Wasser.
»Was machen wir heute?«, fragte Felix nach dem zweiten Frühstücksbrot und sah seinen Vater dabei erwartungsvoll an. Doch der gab die Frage an seine Frauen weiter.
»Wir könnten doch etwas besichtigen«, schlug Petra vor, worauf Mike Einspruch einlegte, da er nach der langen Anreise noch keine Lust auf weitere Autofahrten hatte.
»Also mir würde Tonstad völlig reichen«, stellte Katja nüchtern fest und alle lachten.
»Warum denn nur? Kennst du da wohl jemanden?«, neckte Mike sie, worauf er einen leichten Schlag auf den Arm erhielt.
»Gehen wir zum See?«, fragte Felix, der nur seine Angel im Kopf hatte. Petra überlegte einen Moment und schlug dann vor: »Wir könnten doch den Vormittag unten am Strand verbringen, und wenn wir Lust haben, später noch mal in den Ort rüberfahren.« Die Kinder waren mehr als zufrieden mit diesem Plan und auch Mike stimmte zu, sagte dann aber etwas ernster: »Zum Ort fahren wäre gut! Ich wollte heute mal kurz Peter anrufen und fragen, wie es ihm geht, ich habe hier auch keinen Netzempfang.«
»Ja klar!«, antwortete Petra verständnisvoll, hatte aber insgeheim gehofft, dass Mike seine Arbeit schon etwas vergessen hatte.
Eine halbe Stunde später schloss
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