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Heute morgen und fuer immer - Roman

Heute morgen und fuer immer - Roman

Titel: Heute morgen und fuer immer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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geht es!«, sagte er leise.
    »War das Jasper?«, fragte ich zaghaft, konnte mir aber nicht wirklich vorstellen, wie das passiert sein konnte.
    »Nicht direkt, aber es hat mit ihm zu tun. Als ich dreizehn und er zehn Jahre alt war, spielten wir an einem Wochenende in der leeren Brauerei. Natürlich sahen das unsere Eltern nicht gern, aber in dem Alter denkst du dir nicht viel dabei. Wir haben rumgetollt und wurden immer wilder, plötzlich kam Jasper an mehrere Fässer, löste sie aus Versehen, und bevor ich denken konnte, rollten sie auf ihn zu! Vor lauter Angst fiel er hin und konnte nicht rechtzeitig aufspringen. Mehr aus Reflex hab ich ihn weggezogen und zur Seite geschafft, aber leider schrammte mich eines der Fässer genau hier am Arm mit den metallenen Außenstäben. Durch die Schnelligkeit entwickelten die Fässer eine enorme Kraft, wurden plötzlich richtig scharf, fetzten meine Haut am Arm weg und trafen leider auch die Sehne. Richtig fies geblutet habe ich und wurde sofort ins Krankenhaus eingeliefert und operiert. Jasper war natürlich geschockt und untröstlich, ich musste ihn die ganze Zeit beruhigen, dass ich ihm verzeihe!«
    Das war wirklich eine schreckliche Geschichte, und es tat mir auch alles furchtbar leid, aber für mich klang es nach einem Versehen, einem Unfall, den keiner wollte, und deshalb verstand ich auch nicht ganz, wieso das heute noch so als Geheimnis behandelt wurde und anscheinend so eine Tragweite hatte. Valentin konnte mit seinem Arm mehr als gut umgehen, das hatte ich am eigenen Leib erlebt, im Job gab es auch keine Probleme, und Sport machte er alle Mal damit. Wieso also war das Thema immer noch so akut? Meine Reaktion schien leicht zu deuten zu sein, denn Valentin sah mich forschend an. »Das war nicht alles, ein Unfall kann passieren, denkst du jetzt, und wo ist das Problem, ist doch alles gut gegangen, nicht?«
    Mist, sprach ich, ohne es zu merken, lautlos mit, was ich dachte - konnte Valentin Lippenlesen?
    »Wenn ich ehrlich bin, habe ich in die Richtung eben gedacht ...!«
    Valentin hielt kurz inne, als ob er sich einen Ruck geben müsste. »Was du nicht wissen kannst, ist, dass ich damals einen Berufswunsch hatte und auf dem besten Weg war, diesen Wunsch zu leben. Ich wollte Cellist werden und spielte ähnlich wie du einige Jahre vor dir in allen Seminaren, gewann sämtliche Nachwuchspreise, bekam Unterricht bei Jedim und wurde sogar bereits in der Presse als DAS Nachwuchstalent gefeiert. Musik war meine Leidenschaft, mein Leben, ich war besessen, aber das muss ich dir ja nicht erklären. Du weißt genau, wie das ist, sonst kann man auch nicht acht Stunden am Tag üben. Mit einem Schlag war meine Zukunft zerstört, denn die Grobmotorik war zwar in Ordnung, aber die Feinmotorik durch die verletzte Sehne dahin. Die braucht man aber, um auf dem Saitensteg schnell und präzise zu greifen, wie du weißt. Anfangs wollte ich mich nicht damit abfinden, habe wie verrückt Krankengymnastik gemacht und mir eingeredet, dass ich das mit viel Übungen und positivem Denken wieder in den Griff bekomme. Dem war aber nicht so. In dem Moment, in dem ich das begriff, legte ich mein Cello zur Seite und hab es seither nie wieder angerührt. Überhaupt habe ich Musik weitgehendst aus meinem Leben verbannt, was vielleicht extrem war, aber immer wenn ich ein Stück höre, juckt es mich in den Fingern, es zu spielen, und im selben Moment wird mir schmerzlich vor Augen geführt, dass das nicht mehr geht wie früher!«
    Das alles erzählte er monoton, fast teilnahmslos, was überhaupt nicht zu den schmerzhaften Worten passte, die er von sich gab. Wortlos fuhr ich zärtlich seine Narbe entlang, was er kaum wahrnahm.
    »Dann habe ich zufällig eine deiner Interpretationen der Impromptus von Schubert gehört und musste weinen, so sehr sprach es mir aus der Seele. Das war, lange bevor du und Jasper euch kennenlerntet. Natürlich wusste ich, wer du warst, und kannte deine Musik, aber du warst mir ein zweifacher Dorn im Auge. Erstens warst du wunderschön und einfühlsam, wie du da mit deinen roten Locken plötzlich in der Tür standest, und dann spürte ich dein Talent, deine Gabe, Gefühle und Schmerz mit der Musik wiedergeben zu können. Ohne deine Biografie zu kennen, wusste ich instinktiv, dass du Trauer und Schmerz selber kennen musstest, sonst hättest du nicht so gespielt. Wenn ich Amelies Variationen verglich, waren sie geradezu stumpf und naiv im Vergleich zu deinen. So, jetzt weißt du, was es mit

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