Heute morgen und fuer immer - Roman
Jutta konnte mich auf den Tod nicht ausstehen, und als Georg eine meiner CDs einlegte - wohlgemerkt eine Jazz-CD, die perfekt als Hintergrundmusik passte -, protestierte sie lautstark: »Müssen wir das Gejaule hören? Wie wär's denn mit Carla Bruni, die hab ich dabei!«
Die Anwesenden musterten sie verwundert und schauten dann mich an.
»Von mir aus können wir gerne Carla Bruni hören!«, lenkte ich ein, was mir schwerfiel, aber immerhin war es Ulrikes Geburtstag. Jutta ging tatsächlich zur Anlage, tauschte ihren iPod aus, legte Carla Bruni ein, und im nächsten Moment wurde mir klar, weshalb. Jutta spielte versonnen an einer ihrer Haarsträhnen und sang lauthals mit. Französisch konnte sie gut, das musste man ihr lassen. Ansonsten war ihr Gesang, wenn überhaupt, duschtauglich. Valentin, der das Treiben die ganze Zeit beobachtet hatte, ging auf Jutta zu und bat sie in den Nebenraum, wo sie angeregt und teilweise wild gestikulierend sprachen. Schließlich fing sie an zu weinen, woraufhin Valentin sie tröstend in den Arm nahm. Jasper, der den Fluchtort Toilette wieder verlassen hatte, legte den Arm um mich: »Bin ich froh, dass du nicht so anstrengend bist, ich weiß nicht, wie Valentin das immer ausgehalten hat, dieses ständige Drama! Aber manche Menschen brauchen das Drama anscheinend wie das Salz in der Suppe.«
Es fühlte sich nicht komisch an, wenn Jasper mich berührte, vertraut und angenehm, wie eine warme Badewanne, aber wenn ich ehrlich war, hatten mich eine Umarmung und ein Kuss von Valentin so viel mehr aufgewühlt als jemals eine Berührung von einem Mann zuvor. Natürlich war mir klar, dass es auch an der Situation, der Übertretung einer Grenze, gelegen haben konnte, aber wieso schaffte ich es auch Tage später nicht völlig, den Kuss zu vergessen? Ich hatte mir innerlich ein Ultimatum gestellt. Bis nach Weihnachten wollte ich mir Zeit geben, um zu sehen, ob ich Valentin aus meinem Herzen verbannen konnte und mit Jasper sich alles weiterentwickelte. Wenn nicht, hatte ich mir vorgenommen, wollte ich mich trennen und die beiden nie wieder sehen und ins neue Jahr ohne Ballast starten. Georg rief alle Gäste zusammen, um für Ulrike ein Geburtstagsständchen zu singen, wozu Nele stolz einen selbst gebackenen Kuchen mit brennenden Kerzen präsentierte. Ulrike war sichtlich gerührt und bedankte sich herzlich. Plötzlich ertönte Musik aus dem Nebenraum, den Georg als Tanzsaal vorbereitet hatte. »Moonriver«, das Lied, zu dem Ulrike und Georg sich kennengelernt hatten, ertönte. Georg forderte Ulrike zum Tanz auf und alle anderen einzusteigen. Jasper verbeugte sich und drehte ein paar Runden mit mir, um mich dann Valentin, der sich wohl geweigert hatte Jutta aufzufordern, zu übergeben. Jasper versuchte immer noch, dass Valentin und ich uns besser verstanden. Allein wenn ich sah, wie er uns beide betrachtete, in der Hoffnung, dass wir uns näherkommen sollten, bekam ich so ein schlechtes Gewissen, dass es mir den Magen umdrehte. Valentin sah auch nicht gerade glücklich aus, aber nicht zu tanzen wäre noch auffälliger gewesen. Unwillkürlich begann wieder dieses leise Zittern, als er meine Hand in seine nahm. Meinen Kopf konnte ich vielleicht kontrollieren, meinen Körper offensichtlich nicht. Warum konnte er nicht ein Bewegungsdepp sein, der den Hintern beim Tanzen rausstreckte, komisch zappelte und kein Rhythmusgefühl kannte? Nein, natürlich tanzte er umwerfend gut, wir tanzten zusammen, als ob wir noch nie etwas anderes getan hätten. Mein Herz raste, und ich hatte Angst, dass jeder mir ansehen konnte, dass ich Valentin geküsst hatte. Jeder vielleicht nicht, eine vielleicht schon ... Jutta musste Valentin gut genug kennen, um sein Verhalten interpretieren zu können. Frauen hatten einen siebten Sinn, wenn es um andere Frauen ging.
»Ich finde die Situation unerträglich!«, flüsterte Valentin mir zu. Ja, auch ich hatte schon angenehmere Begegnungen gehabt und musste nicht unbedingt unter den Augen aller vortanzen und dabei seinen verführerischen Duft nach Sandelholz ertragen. Wie lange ging »Moonriver« eigentlich? War das die extralange Version?
»Ich versuche ja schon, so wenig wie möglich hier zu sein, aber ganz vermeiden lässt es sich eben nicht!«, flüsterte ich zurück.
Valentin sah mir plötzlich unverwandt in die Augen, was mir weiche Knie verursachte und mich kurz einknicken ließ.
»Ich schaff es einfach nicht, dich zu vergessen. Es bringt mich fast um, dass wir nicht
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