Heute Nacht brauche ich Liebe
launischen Impuls folgend, den Joan sich selbst nicht erklären konnte, drückte sie ihren Fuß in seinen Unterleib. Und obwohl Red einen Aufschrei unterdrückte und zusammenzuckte, als sie ihn mit ihrem eiskalten Fuß berührte, leuchteten seine Augen vor Freude über ihre unerwartete Ausgelassenheit auf. Er griff nach ihrem Bein. „Das wirst du mir büßen.”
„Das habe ich bereits", erinnerte sie ihn. „Bestimmt werde ich blaue Flecken von deiner Massage bekommen.”
„Ich versuche nur, zu helfen”, beteuerte er, während er ihren andern Fuß in seinen Schoß legte und ihr auch den zweiten Stiefel und Strumpf auszog, um den Fuß zu wärmen. Joan wagte nicht, dagegen zu protestieren, im Gegenteil, im Augenblick genoss sie es, von ihm umsorgt zu werden, auch wenn es nur für kurze Zeit und vielleicht zum letzten Mal war. Entspannt lehnte sie sich zurück und schloss die Augen.
„Deine Strümpfe sind feucht”, stellte Red fest. „Du hättest sie gleich wechseln müssen.”
„Dafür war keine Zeit.”
Er nahm ihren rechten Fuß, massierte gekonnt den Ballen mit dem Daumen, streichelte ihre Zehen und den Knöchel. Er wusste ganz genau, wie sehr ihr das gefiel. Wellenartig breitete sich in ihrem ganzen Körper Wohlbehagen aus. Nur mit Mühe konnte Joan ein zufriedenes Seufzen unterdrücken.
„Ich habe Schuldgefühle, alle diese Aufmerksamkeiten zu bekommen, wo die anderen sie so viel nötiger hätten”, murmelte sie nach einer Weile.
Red widmete sich ihrem anderen Fuß. „Nicht für Geld würde ich die Füße dieser Männer aufwärmen.”
Sie lachte leise, und er erwiderte dieses Lachen mit seinem Blick. Das war einer jener Momente, die sie liebte, ein Moment voller Wärme und Einvernehmen. So war es früher oft zwischen ihnen gewesen, trotz ihrer ständigen Auseinandersetzungen. Seltsam, dachte sie, dass solche Augenblicke immer dann auftreten, wenn man sie am wenigsten erwartet. Und wie anders sah jetzt alles aus als an diesem Morgen. Nur schade, dass diese Eintracht wahrscheinlich nicht von längerer Dauer sein würde.
„Über kurz oder lang muss jemand ins Blue Jay zurückgehen, um noch ein paar Vorräte zu holen. Das bisschen, das wir haben, wird bald aufgebraucht sein”, bemerkte Red unvermittelt.
In Joan spannte sich alles an. Ruckartig öffnete sie die Augen. „Aber nicht du.”
Ihr heftiger Ton überraschte ihn nicht. „Wer sonst? Wen willst du an meiner Stelle schicken?”
„Das weiß ich nicht. Es ist mir auch egal. Du gehst jedenfalls nicht. Du hast schon genug getan.” Es war kindisch, sich so hartnäckig dagegen zu sträuben, das wusste Joan selbst, doch sie konnte nicht anders. Bis jetzt hatten sie Glück gehabt, großes Glück. Man durfte das Glück aber nicht allzu sehr herausfordern. Schon öfters hatten solche Schneestürme Menschenleben gefordert, und dieser Gedanke machte ihr angst. „Du gehst nicht noch einmal nach draußen”, wiederholte sie entschlossen.
„Wir können wohl noch eine Weile warten”, lenkte Red ein und setzte seine Massage fort. „Heute Nacht hat sowieso niemand großen Hunger, und vielleicht hat sich der Wind bis morgen früh gelegt." Seine Antwort stellte Joan für den Augenblick zufrieden und sie versuchte, sich wieder zu entspannen. „Haben wir wieder Funkkontakt?” fragte sie nach einer Weile.
Red legte ihre beiden Füße in seinen Schoß und bedeckte sie mit den Händen. In ihrem ganzen Körper breitete sich eine angenehme Schwere aus. „Wegen des Sturms sind wohl einige Frequenzen durcheinander geraten. Lewis hat vor kurzem Chicago reinbekommen, doch mit Brownsville sechs Meilen südlich von hier bekommt er keinen Kontakt.” Er lächelte sie an. „Dein Haar ist völlig durcheinander. Du solltest etwas dagegen tun.”
„Du siehst auch nicht gerade wie nach einem Besuch im Schönheitssalon aus”, erwiderte sie kokett, worauf er sie verständnisvoll anlächelte.
Joan wünschte sich, sie könnte ewig so sitzen bleiben. Die Atmosphäre zwischen ihnen war so locker und gelöst, und Reds Nähe gab ihr Kraft. Ich bin froh, dass du hier bist, dachte sie. Ich weiß nicht, wie ich es ohne dich geschafft hätte. Doch sie brachte es nicht fertig, ihm das zu sagen.
Langsam und widerwillig zog sie schließlich ihre Füße zurück. „Ich sollte einmal den Kontrollturm überprüfen. Nicht, dass es irgendwo einen Kurzschluss gibt. Das wäre schrecklich bei diesen Temperaturen.”
„Aber zieh dir trockene Strümpfe an”, riet ihr Red mit fast
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