Heute Nacht brauche ich Liebe
das Gefühl zu vermitteln, dass es die ganze Mühe wert war.
Ruhig und erstaunt hörte Joan zu, wie Einzelheiten aus den Lebensgeschichten der Männer zur Sprache kamen, mit denen sie seit zwei Jahren zusammenarbeitete. Shark war aus der Militärakademie in West Point rausgeflogen. Reese hatte einmal für die NASA gearbeitet. Die meisten waren einmal verheiratet gewesen, viele hatten ,zu Hause' Freundinnen. Einige betrachteten auch Adinorack als ihr Zuhause, doch auch mit denen, die es nicht taten, gab es Gemeinsamkeiten.
Zugegeben, alle waren des Geldes wegen hierher gekommen, doch geblieben waren sie noch aus einem anderen Grund. Man musste schon ein bestimmter Typ Mensch sein, um hier in der Wildnis zu bestehen, um mit der Einsamkeit, den Entbehrungen und Unannehmlichkeiten fertig zu werden. Das wussten diese Männer und zogen eine gewisse Befriedigung daraus. Sie hatten von vornherein gewusst, wofür sie sich meldeten, und sie blieben, weil es ihnen gefiel. Es waren alles nichtangepasste, starrsinnige Menschen, die sich keiner Autorität fügen wollten und einen starken Unabhängigkeitsdrang verspürten. Das waren genau die Eigenschaften, die man hier benötigte, um zu überleben, Eigenschaften, die auch Red und Joan auszeichneten.
Unvermittelt legte Della ihre Hand auf Joans Schulter. „Warum holst du dir nicht etwas zu essen? Ich setze mich so lange zu Joe.”
„Bist du sicher, dass du das schaffst?”
„Ob ich jetzt hier oder dort sitze, ist egal”, antwortete Della und nahm ihr den Teller aus der Hand. „Ich werde versuchen, ihn zum Essen zu bringen, wenn er aufwacht. Geh ruhig.”
Red beobachtete, wie Joan den Raum verließ. Nein, ich werde ihr nicht folgen, beschloss er. Mit Bedacht hatte er sich ein Stück von ihr entfernt zu den Männern gesetzt und sich bemüht, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, damit er ja nicht in Versuchung kam, zu ihr zu gehen.
Doch die ganze Zeit über hatte er es nicht fertiggebracht, den Blick von ihr zu lassen.
Joan war die einzige Frau auf der Welt, bei der er je das Bedürfnis verspürt hätte, alles über sie zu erfahren. Jetzt, nach zwei Jahren, glaubte er, sie besser zu kennen als irgend jemand anderes auf der Welt. Vielleicht tat er das auch. Doch es gelang ihr immer wieder, ihn zu überraschen. Zum Beispiel, wie sie mit Joe umging oder wie aufmerksam sie dem Gespräch der Männer zugehört hatte. All das war neu für ihn.
Natürlich war sie zu jener Art von Zuneigung fähig, die sie gegenüber dem verletzten Jungen an den Tag legte, das wusste er. Es war eine Seite an ihr, die er gut kannte, auch wenn sie nur selten zum Vorschein kam. Auch, dass sie Mitleid zeigte, beeindruckte ihn nicht. Wie oft hatte er mit ansehen müssen, wie sie gerade dieses Gefühl unterdrückte. Es war ihre Empfindsamkeit, die ihm nahe ging, denn dieser Charakterzug war ihm völlig unbekannt. Vor Erschöpfung war ihr Gesicht blass, um ihre Augen lagen dunkle Ringe, und sie ließ die Schultern hängen. Während sie dem Gespräch der Männer zuhörte, wirkte sie so einsam und verunsichert. So hatte Red sie noch nie erlebt. Am liebsten hätte er sich mit ihr in eine ruhige Ecke gesetzt, sie in die Arme genommen und sie einfach gehalten, bis sie wieder zu Kräften gekommen waren.
Nach einer Weile stand er auf, warf seinen Pappteller in einen Papierkorb und folgte ihr in die Küche.
Während er beobachtete, wie sie die schmale Theke abwischte und leere Dosen in den Mülleimer warf.
Joan brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer die Küche betreten hatte. Sie spürte Reds Anwesenheit instinktiv, so als existierte zwischen ihnen ein unsichtbares Band.
„Erst Krankenschwester, jetzt Küchenfee”, stellte Red fest, „welche anderen unbekannten Talente besitzt du noch?”
„Kannst du nicht etwas gegen diese Musik tun?” beklagte sie sich. „Ich bekomme Kopfschmerzen davon.”
„Die Musik ist gut für dich. Sie beschleunigt den Herzschlag, das weiß jedes Kind.”
„Wir hatten doch schon genug Aufregung. Leg etwas Langsameres ein, damit die Leute schlafen können.”
Red lachte. „Das ist ein Argument”, erwiderte er.
Joan drehte sich um, wobei sie sich mit den Händen am Spülbecken hinter sich abstützte. „Wie machst du das nur?” fragte sie ernst. „Wir stecken mitten in einer Katastrophe, die meisten unserer Leute sind verletzt, und wir wissen nicht, woher wir die nächste Mahlzeit nehmen sollen, aber du verstehst es, sie aufzuheitern. Wie schaffst du
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