Heute schon geträumt
und Alkohol.« Er schlägt meine Akte zu und steht auf. »Oh, und noch etwas.«
»Ja?« Ich bin ganz Ohr.
»Sagt Ihnen der Begriff Cyberchondrie etwas?«
Panik erfasst mich. »Nein, aber ist das gefährlich?«, frage ich ängstlich. Oh nein, was ist, wenn ich das habe?
»So nennt man das Phänomen, sich selbst Diagnosen aus dem Internet herauszusuchen.« Er sieht mich mit hochgezogenen Brauen an.
Ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen schießt. »Oh, verstehe.«
»Halten Sie sich vom Internet fern, dann verbessert sich auch Ihr Gesundheitszustand spürbar«, fährt er fort, öffnet mir die Tür und streckt die Hand aus. »Schönen Tag noch, Miss Merryweather.«
Nachdem ich noch in den Klamotten vom Vortag zum Arzt gefahren war, mache ich einen kurzen Abstecher nach Hause, um zu duschen und mich fürs Büro umzuziehen. Zum Glück verläuft die Fahrt diesmal ohne Zwischenfälle. Ohne unerklärliche Phänomene wie bekannte VW Käfer, Halluzinationen oder sonstige Dinge.
Als ich in die Gasse einbiege, in der sich unser Büro befindet, und das Kopfsteinpflaster überquere, denke ich, dass der Arzt wahrscheinlich Recht hat. Unter Stress kann einem so manches passieren. Das weiß ich, weil ich in einem meiner Ratgeber davon gelesen habe - von Leuten, die aufgrund von Stress den Verstand verloren haben. Am einen Tag führen die Leute noch ein vollkommen normales Leben und - zack - am nächsten wandern sie splitternackt am Brighton Pier entlang und faseln von Außerirdischen.
Aber seiner eigenen jüngeren Ausgabe begegnen? Ich meine, mal ganz ehrlich, wie lächerlich ist das denn?
»Meine Güte, du lebst, oh Gott sei Dank.«
Als ich hereinkomme, springt Beatrice von ihrem Stuhl auf und kommt auf mich zugelaufen. »Ich habe mir ja solche Sorgen gemacht … Ich musste ständig an dich denken … und an den armen Cousin Freddy. Denn mit deinem Anruf ist natürlich wieder alles hochgekommen - die Besuche im Krankenhaus, die Untersuchungen, diese Gerüche …« Sie krallt die Finger um ihre Perlen und starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Hast du irgendwelche seltsamen …« Sie hält kurz inne und schluckt. »… Gerüche bemerkt?«
»Eigentlich geht es mir ganz gut«, sage ich. »Es war … äh … eine Fehldiagnose.«
»Du meinst … du hast gar keinen …« Spontan packt sie meine Hände, ehe sie sie verlegen loslässt. »Komm, setz dich hin. Ich mache dir eine schöne Tasse Kaffee.«
»Danke, aber ich werde heute Morgen lieber auf den Kaffee verzichten und ein Glas Wasser trinken. Oh, und hast du zufällig etwas zu essen dabei?«
Beatrice mustert mich verblüfft. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Ja, alles bestens.« Mit einem dankbaren Lächeln ziehe ich meine Jacke aus, setze mich an meinen Schreibtisch und fahre den Computer hoch.
»Und was hat der Arzt genau gesagt?«, fragt sie, während sie sich in der kleinen Küche in der Ecke des Büros zu schaffen macht.
»Ach, weißt du …«, sage ich vage und öffne meinen Posteingang. Mein Mut sinkt. 57 ungelesene Mails. »Ich muss es einfach ein bisschen lockerer angehen.«
»Tja, das Einzige, was für heute Nachmittag im Kalender steht, ist die Eröffnungsparty des Exhale, dieses neue Spa um die Ecke. Ich habe vorhin mit dem Manager geredet. Sie sind vielleicht an PR interessiert.« Sie lächelt verschwörerisch. »Außerdem gibt es bestimmt jede Menge leckere Häppchen und Champagner. Und das ist genau das Richtige für dich. Ein Gläschen Schampus.« Sie nickt wissend.
»Ich bin nicht sicher, ob ich Alkohol trinken sollte …«
»Unsinn. Das ist die beste Medizin überhaupt, sagt meine Mutter immer.« Sie drückt mir eine Flasche Evian und einen Vollkornmuffin in die Hand.
»Danke.« Ich wende mich wieder meinem Posteingang zu, nippe an meinem Wasser, während ich die erste Mail lese.
»Alles in Ordnung?«
Als ich aufsehe, steht Beatrice immer noch vor meinem Schreibtisch.
»Ja. Alles klar. Danke.« Ich lächle sie an.
»Super.« Sie lächelt ebenfalls und beginnt, den Fotorahmen auf meinem Schreibtisch zu befingern. »Und«, sagt sie mit betont beiläufigem Tonfall, was jedoch gründlich in die Hose geht. »Gibt es sonst noch etwas, das du mir gern sagen würdest?«
»Äh … nein, ich glaube, das ist alles.« Ich schüttle den Kopf und wende mich wieder meiner Mail zu.
Sie rührt sich nicht vom Fleck. »Dazu, was gestern passiert ist«, erklärt sie spitz.
Erschrocken blicke ich wieder auf. »Gestern?«, wiederhole
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