Heute schon geträumt
dieser Art. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mehr genau daran erinnern, weil ich mich völlig panisch durch all diese Seiten geklickt habe. Bis ich in der felsenfesten Überzeugung, sämtliche Symptome zu haben, in die Praxis meines Hausarztes gestürzt bin und mit dem Argument, es handle sich um einen lebensbedrohlichen Notfall, um einen Termin gebettelt habe.
Das war vor einer Dreiviertelstunde, denke ich jetzt verärgert und sehe zum x-ten Mal auf meine Uhr.
»Ein Gehirntumor!«, schreit Bea am anderen Ende der Leitung. »Oh mein Gott, bist du im Krankenhaus?«
»Noch nicht«, flüstere ich und versuche, mein BlackBerry vor den Adleraugen der Sprechstundenhilfe zu verbergen, indem ich es halb in meinen Blusenkragen schiebe. »Ich bin beim Arzt.Aber ich bin sicher, er wird mich für ein paar Untersuchungen hinschicken.« Beim Klang des Wortes »Untersuchungen« flackert Panik in mir auf, und ich habe Mühe, nicht die Nerven zu verlieren.
»Das haben sie bei meinem Cousin Freddy auch gemacht«, sagt sie düster.
»Ehrlich?« Ich umklammere das Telefon etwas fester.
»Oh, ja, es war wirklich seltsam. Am einen Tag hat er sich den Kopf gestoßen, und am nächsten hatte er plötzlich all diese merkwürdigen Gerüche in der Nase. Es war wirklich schlimm. Wo er auch hinging, überall war dieser Geruch nach Schokolade, was in der Theorie ja ganz nett klingt, aber der arme Freddy war völlig außer sich, weil er Schokolade hasst. Er hat für Süßigkeiten überhaupt nichts übrig. Er ist eher der Käsebrot-Typ.«
»Miss Merryweather?« Die Sprechstundenhilfe hat sich vor mir aufgebaut und starrt mich frostig an. »Der Doktor erwartet Sie.«
»Oh, klar, danke.«
»Es sei denn, Sie wollen lieber Ihre Unterhaltung draußen fortsetzen.«
Das Telefon noch zwischen Ohr und Schulter geklemmt, höre ich Beatrice faseln: »Das zeigt ganz klar, dass er nicht meiner Seite der Familie nachschlägt. Du kennst mich ja - ich kann zu Süßem nie Nein sagen.«
»Ich muss jetzt Schluss machen, Beatrice«, zische ich, schalte mein BlackBerry aus und haste mit einem dankbaren Lächeln in Richtung der Sprechstundenhilfe ins Sprechzimmer.
»Herein.«
Ich öffne die Tür. Dr. Evans, mein Hausarzt, sitzt auf seinem schwarzen Drehsessel hinter einem altmodischen Schreibtisch mit Ledereinsatz. Er ist ein ernst dreinblickender Mann mit grauem, über seinen kahlen Schädel frisiertem Haar und einer Brille mit Horngestell. Als ich hereinkomme, macht er sich irgendwelche Notizen auf einem Block.
»Bitte, setzen Sie sich.« Mit einem onkelhaften Lächeln deutet er auf einen Stuhl. Er sieht auf, worauf das Lächeln auf seinem Gesicht gefriert. »Ah, Miss Merryweather«, sagt er tonlos, schiebt die Hülle auf seinen Stift und legt die Fingerspitzen aneinander. »Wie nett, Sie wiederzusehen.«
Mit einem zittrigen Lächeln setze ich mich.
»Und so schnell«, fügt er hinzu, greift nach meiner blauen Krankenakte, die auf seinem Schreibtisch liegt, und beginnt darin zu blättern.
Ich muss zugeben, die Akte ist ziemlich umfangreich, um nicht zu sagen, sie platzt aus allen Nähten, aber wie ich immer sage - Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
»Und was macht der Ausschlag?«, erkundigt er sich.
»Oh, der Ausschlag … Sie hatten Recht, es war nur mein Ekzem, das aufgeblüht ist.«
»Und der ›stechende Schmerz links in den Rippen‹?«, zitiert er weiter aus seinen Unterlagen.
Ich werde verlegen. Das war in der Woche davor. Ich war beim Yoga, als ich mitten in einer Dehnübung einen stechenden Schmerz spürte und glaubte, ich hätte mir eine Rippe gebrochen. Es hat wirklich wahnsinnig wehgetan, ich schwöre. Ich dachte, die Rippe hätte vielleicht sogar die Lunge durchstoßen, und bettelte Dr. Evans an, eine Röntgenaufnahme zu machen.
»Äh … es geht viel besser«, antworte ich und zupfe mir einen unsichtbaren Fussel vom Ärmel.
Wie sich herausstellte, hatte ich mich einfach nur überanstrengt. Ein heißes Bad, ein Klecks Tigerbalsam, und schon war ich wieder wie neu.Aber das hatte ich nicht wissen können, oder?
»Also«, sagt er langsam. »Welches Problem haben wir denn heute?«
Ich schlucke und überlege, wie ich anfangen soll.
»Ich glaube, ich habe einen Gehirntumor.«
Die Worte sprudeln aus mir heraus, bevor ich es verhindern kann. Und sie laut ausgesprochen zu hören macht sie mit einem Mal sehr real. Und beängstigend. Sehr beängstigend.
Dr. Evans hingegen zuckt mit keiner Wimper. »Verstehe …« Er
Weitere Kostenlose Bücher