Heute schon geträumt
Muskeln in seinem Unterarm anspannen.
»Äh … danke.« Beim Versuch, nach der Flasche zu greifen, berühren sich unsere Hände, und unsere Finger verheddern sich, so dass mir die Flasche entgleitet.
»Hoppla. Beinahe.« Lachend fängt er sie auf und reicht sie mir.
»Meine Güte, sonst bin ich eigentlich nicht so ungeschickt.«
Als ich aufsehe und seinen Blick bemerke, spüre ich ein eigentümliches Ziehen in der Leistengegend. Was um alles in der Welt …? Blankes Entsetzen packt mich. Ich fasse es nicht.
Ich bin eine dieser alten Schachteln, die versucht, einen wesentlich jüngeren Typen aufzugabeln. Mit vor Scham glühenden Wangen bezahle ich eilig meinen Drink. Also ehrlich, was soll das? Einem Barkeeper hinterherzuhecheln, der mindestens zehn Jahre jünger ist als ich? Ich könnte ja fast seine Mutter sein. Na gut, vielleicht nicht ganz, aber zumindest seine ältere Schwester. Seine deutlich ältere Schwester.
Trotzdem kein Grund, sich aufzuregen, sage ich mir. Es ist schließlich nichtsVerwerfliches, einen anderen Mann attraktiv zu finden, oder? Und wenn er zehn Jahre jünger ist als ich? Na und? Männer starren doch ständig jüngeren Frauen hinterher. Außerdem wird wohl niemand etwas gegen einen Blick einzuwenden haben, oder? Das muss noch lange nichts bedeuten. Und ich bin sicher, Miles sieht auch jeden Tag irgendwelchen Mädchen nach.
Na gut, vielleicht nicht jeden Tag, aber manchmal. Wie zum Beispiel der Kleinen aus der Buchhaltung in seiner Firma, Helen, die zierlich und vollbusig ist und immer diese hautengen Lycra-Tops trägt. Selbst ich als Frau kann den Blick kaum von ihrem Dekolleté lösen.
Ich kippe mein eisgekühltes Wasser hinunter und kehre dem Barkeeper den Rücken zu, um mir selbst beim Tanzen zuzusehen.Was leichter gesagt ist als getan.
»Wahnsinn, nicht?«
Als ich mich umwende, steht der Barkeeper direkt neben mir und hat die Ellbogen auf den Tresen gestützt. Ich sehe mich kurz um, aber außer mir ist niemand zu sehen. »Äh … wie war das?«, hake ich nach.
Mit verträumtem Blick deutet er in Richtung Tanzfläche. »Das Mädchen in dem Kleid da.«
Ich verspüre einen eifersüchtigen Stich. Welches Mädchen?, denke ich und folge seinem Blick.
»In dem Kleid mit den blauen Blümchen.«
Völlig verdattert starre ich ihn an.
»Sie ist Stammgast im Pub.«
Ich? Redet er von mir? Ich sehe wieder zur Tanzfläche, wo ich gerade zwischen den sich windenden Leibern meine Version des Ententanzes zum Besten gebe. Das kann doch nicht sein.Wahnsinn? Ich?
»Findest du sie wirklich so toll?«, frage ich ungläubig.Vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden.
»Absolut«, seufzt er.
Aha. Ich habe ihn also doch richtig verstanden.
Ich wende mich wieder zu meinem jüngeren Ich um, das völlig selbstvergessen vor sich hin tanzt, während mein älteres Ich die Neuigkeit erst einmal verdaut. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich jemand schon mal als »Wahnsinn« bezeichnet hat. Okay, ich habe Komplimente bekommen, ich sei hübsch, sexy oder attraktiv, aber bestimmt nicht Wahnsinn. So etwas sagt man doch nur über Stars wie Angelina Jolie. Aber nicht über Charlotte Merryweather, und über Charlotte Merryweather mit 21 schon gar nicht. Entschuldigung, mit frischgebackenen 22.
»Sie heißt Lottie«, erkläre ich, noch immer leicht verdattert.
»Ah.« Er nickt. »Stimmt, du kennst sie ja.«
»Man könnte sagen, wir sind verwandt.« Ich lächle.
Er starrt mich ungläubig an. »Nie im Leben!«, schnaubt er. »Du siehst ihr nicht im Geringsten ähnlich.«
Ich spüre, wie mein Lächeln verblasst. Na gut, dann habe ich mich eben verändert, aber dieses Schnauben war nun wirklich nicht nötig. Heute sehe ich doch viel gepflegter aus, schicker als damals.
Und diese Augenbrauen!
»Wir haben dieselbe Nase«, erkläre ich spitz.
Er mustert mich eingehend - einen Moment länger als unbedingt nötig, habe ich den Eindruck. »Hmm, kann sein«, räumt er, wenn auch leicht widerstrebend, ein.
Ich bin leicht irritiert und ein winziges bisschen eifersüchtig. Was absolut lächerlich ist.Wie kann man eifersüchtig auf sich selbst sein?
»Tja … dann … erzähl doch mal, wieso du sie so toll findest«, fordere ich ihn neugierig auf.
»Oh, keine Ahnung«, antwortet er und schüttelt den Kopf. »Sie ist es eben einfach.«
»Kannst du das nicht ein bisschen genauer erklären?«, beharre ich.
»Nein.« Er zuckt die Achseln. »Es ist einfach ihre ganze Art. Ich würde nichts an ihr verändern
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