Heute und für immer: Roman (German Edition)
bemerkt, und das passte Kasey überhaupt nicht. Sie wollte sich nicht so leicht durchschauen lassen.
Lächelnd drückte sie Alisons Hand. »Ich gehe trotzdem lieber joggen«, sagte sie zu ihr, drehte sich um und ging davon.
»Irgendetwas stimmt mit Kasey nicht«, flüsterte Alison und sah zu ihrem Onkel auf. Jordan starrte Kasey nach. Sie marschierte zielstrebig auf das kleine Tor in der Mauer zu, die das Anwesen umgab. »Ihre Augen sahen so traurig aus.«
Jordan wandte sich Alison zu. Sie hatte gerade seine eigenen Gedanken ausgesprochen. »Ja, das stimmt.«
»Haben wir sie traurig gemacht, Onkel Jordan?«
Betroffen von dieser Frage hob er den Blick und sah Kasey gerade noch durch das kleine Seitentor verschwinden. Haben wir das? Ihre Emotionalität übertraf alles, was er diesbezüglich bisher erlebt hatte. War es deshalb nicht nur logisch, dass sie in hohem Maße verletzbar war? Jordan
schüttelte den Kopf. Vielleicht bildete er sich das alles auch nur ein.
»Jeder Mensch hat manchmal seine Launen, Alison«, murmelte er. »Auch Kasey.« Als er Alison wieder ansah, merkte er, dass ihr Blick immer noch an dem kleinen Tor klebte. Da packte er sie, warf sie sich über die Schulter und war froh, sie lachen zu hören.
»Nicht ins Wasser werfen!«, kreischte sie und zappelte wie ein Fisch an der Angel.
»Ins Wasser werfen?«, gab Jordan verwundert zurück, als wäre er selbst nie auf diese Idee gekommen. »Wie kommst du darauf, dass ich so etwas täte?«
»Gestern hast du es getan!«
»Tatsächlich? Nun, eigentlich hasse ich es, mich zu wiederholen!« , rief er vergnügt und warf das Mädchen in hohem Bogen ins Wasser.
Eine Stunde später fand er Kasey im Salon. Das Laufen hat ihre Laune offenbar nicht verbessert, dachte er, denn sie ging unruhig wie eine eingesperrte Tigerin von einem Fenster zum anderen.
»Trägst du dich mit Fluchtgedanken?«
Kasey wirbelte auf dem Absatz herum. »Ich habe dich nicht reinkommen hören.« Sie suchte nach einer etwas freundlicheren Bemerkung, doch ihr fiel nichts ein. Stattdessen wandte sie sich wieder dem Fenster zu. »Ich habe meine Meinung geändert«, erklärte sie. »Das hier ist kein Museum, sondern ein Mausoleum.«
Jordan runzelte nachdenklich die Stirn und ließ sich auf dem Sofa nieder. »Warum erzählst du mir nicht, was du auf dem Herzen hast, Kasey?«
Als sie sich umdrehte, blitzte ein Anflug von Zorn in ihren Augen auf. Zorn war leichter zu ertragen als Verzweiflung.
»Wie hältst du das nur aus?«, schnaubte sie. »Geht dir diese ewige Sonne nicht auf die Nerven?«
Jordan musterte Kasey eine Weile lang und lehnte sich dann zurück. »Willst du damit ausdrücken, dass du dich über das Wetter ärgerst?«
»Das hier ist kein Wetter. Wetter ändert sich«, beschied sie ihm und strich sich mit beiden Händen das Haar aus der Stirn. In ihrem Kehlkopf pulsierte ein dumpfer Schmerz.
»Kasey!« Jordans Stimme klang ruhig und vernünftig. »Komm, setz sich zu mir und sprich dich aus.«
Sie schüttelte eigensinnig den Kopf. Sie verspürte im Augenblick nicht das geringste Bedürfnis, sich vernünftig mit ihm zu unterhalten.
»Es erstaunt mich«, fuhr sie fort, »ja, es erstaunt mich wirklich, dass du so schreiben kannst, wo du dich doch aus allem ausblendest.«
Jordan runzelte erneut die Stirn. »Findest du, dass das eine schlüssige Aussage ist? Ich lebe in einem bevorzugten Klima und blende mich deshalb aus allem aus.«
»Du bist manchmal so verdammt überheblich«, zischte sie, die Hände in den Taschen zu Fäusten geballt. »Du sitzt hier in deiner kleinen keimfreien Welt und hast nicht die geringste Ahnung, wie andere Menschen sich durchs Leben kämpfen müssen! Du brauchst dir zum Beispiel keine grauen Haare wachsen zu lassen, wenn dein Kühlschrank den Geist aufgibt.«
»Kasey«, sagte Jordan und hatte Mühe, ruhig zu bleiben, »du schweifst vom Thema ab.«
Sie funkelte ihn wütend an. Warum verstand er sie nicht? »Nicht jeder kann es sich leisten, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen und sich in der Sonne zu aalen.«
»Ach, darum geht es also wieder«, sagte Jordan. Er stand
auf und trat auf sie zu. »Warum betrachtest du mein Geld als Makel an meinem Charakter?«
»Ich habe keine Ahnung, wie viele Makel deinen Charakter zieren«, konterte sie. »Ich beanstande jedoch deinen Reichtum, weil du ihn dazu benutzt, dich zu isolieren.«
»Aus deiner Sicht.«
»Ganz recht.« Sie nickte. »Ich betrachte diesen Teil von Kalifornien geradezu als einen
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