Heute und für immer: Roman (German Edition)
Boot hin und her. Verzweifelt und zu Tode verängstigt schrie sie ihrem Großvater zu, sie doch aus dem Boot zu holen. Er schüttelte den Kopf und warf den Rettungsring erneut aus. Der Sog trieb Kasey näher an das andere Schiff heran. Die Wellen wurden immer höher und schleuderten sie schließlich aus ihrem kleinen Boot heraus. Das aufgewühlte Meer schloss sich über ihrem Kopf, nahm ihr die Luft und das Licht.
»Nein! «
Kasey fuhr senkrecht im Bett hoch und barg das Gesicht in den Händen.
»Kasey!« Ihr Schrei hatte Jordan geweckt. Er ergriff ihren Arm. Ihre Haut war eiskalt, und sie zitterte. »Was ist denn? Was ist passiert?«
»Nur ein Traum …« Sie rang um Fassung. »Es ist nichts. Es geht mir schon wieder gut.«
Ihre Stimme zitterte genauso wie ihr Körper, und obwohl sie sich wehrte, zog Jordan sie an sich. »Es geht dir nicht gut! Du bist kalt wie ein Eiszapfen. Komm, kuschel dich an mich.«
Sie wollte sich an ihn schmiegen, doch sie hatte Angst. Sie war bereits zu sehr von ihm abhängig. Sie war bisher mit ihren Träumen allein fertig geworden, und konnte es jetzt auch. »Nein, lass mich.«
Ihre Stimme wurde schärfer, und sie machte sich aus seiner Umarmung frei. Sie krabbelte aus dem Bett und warf sich ihren Morgenrock über. Als Jordan die Nachttischlampe anknipste, begann Kasey hektisch nach ihren Zigaretten zu suchen. Jordan stand ebenfalls auf und zog sich seinen Morgenmantel über. Kaseys Gesicht war weiß wie die Wand, ihre Augen wirkten dunkel vor Angst.
Sie fand die Zigaretten und schüttelte nervös eine aus dem Päckchen. »Ich bin Wissenschaftlerin, ich weiß, was ein Traum ist.« Als sie ihre abgehackte Stimme hörte, hielt sie sich erschrocken den Mund zu. »Eine Abfolge von Gefühlen, Bildern oder Gedanken, die sich im Gehirn eines Schlafenden manifestieren. Ohne Bezug zur Realität.« Sie griff nach Jordans Feuerzeug, doch ihre Hand zitterte dermaßen, dass sie es nicht zum Brennen brachte.
Jordan nahm ihr das Feuerzeug und die Zigarette schweigend aus der Hand und legte beides auf den Tisch zurück. »Kasey«, sagte er ruhig und streichelte mit einer Hand über ihre bebende Schulter. »Hör auf damit. Lass dir von mir helfen.«
»Es ist gleich vorbei«, wehrte sie ab und versteifte sich, als er sie wieder an sich zog. »Jordan, bitte! Ich finde es entsetzlich, wenn mir so die Nerven durchgehen. Ich hasse es!«
»Musst du denn alles allein durchfechten?« Er rieb ihr mit der flachen Hand über den Rücken, um sie zu wärmen.
»Hältst du dich für schwach, wenn du Trost annimmst? Wenn ich Hilfe oder Zuspruch bräuchte, würdest du dich dann von mir abwenden? Kasey, komm, lass dir helfen.«
Mit einem Schluchzer warf sie sich an seine Brust und barg den Kopf in seiner Halsbeuge. »Ach, Jordan! Dieser Traum ist jedes Mal wieder genauso schrecklich wie beim ersten Mal.« Jordan hob Kasey hoch und trug sie zum Bett zurück. Auch nachdem er sie abgesetzt hatte, hielt er sie noch fest an sich gedrückt. »Du hast ihn schon lange?«
»Seit meiner Kindheit.« Ihre Stimme klang an seinem Hals gedämpft. Er spürte ihren Puls rasen. »Inzwischen träume ich ihn nicht mehr so oft. Manchmal vergehen Jahre, ehe er wiederkommt.« Sie schloss die Augen und versuchte ruhiger zu atmen. »Aber der Traum ist immer der Gleiche, immer furchtbar real.«
Sie zitterte jetzt weniger, aber Jordan hielt sie trotzdem fest im Arm. Er spürte, dass sie ein ganz neues, unbekanntes Gefühl in ihm auslöste: den Drang, sie zu beschützen. »Erzähl ihn mir.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ach, das ist doch nur Unsinn.«
»Erzähl ihn mir trotzdem.«
Sie schwieg für eine Weile, seufzte dann und begann zu erzählen. Ihr Bericht war knapp und ihre Worte klangen ziemlich nüchtern, doch Jordan konnte dennoch heraushören, welche Bedeutung dieser Traum für sie hatte.
»Ich habe meinem Großvater nie davon erzählt«, fuhr sie fort. »Ich wusste, dass er sich nur darüber aufregen würde. Ich hatte diesen Traum auch nur zwei Mal während meiner College-Zeit.« Ihre Stimme klang jetzt ruhiger, und Kasey klammerte sich nicht mehr so verzweifelt an Jordan. »Einmal, nachdem ich in einer Zeitung einen Rückblick auf den Vormundschaftsprozess gelesen hatte, den ein emsiger Reporter
ausgegraben hatte, als einer meiner Onkel für seine Wiederwahl kandidierte. Und noch einmal in der Nacht vor meiner Abschlussfeier. Damals habe ich das Ganze auf zu viel Bier und den Stress mit der Abschlussrede geschoben, die ich
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