Heute wär ich mir lieber nicht begegnet
fielen aufs Gesicht, in die Ausweglosigkeit zurück, Paul vorneweg. Er hatte immer Angst, daß wir uns an Glück gewöhnten. Während ich noch lachte, hatte er sich die Schamhaare abgeschnitten, die Schere hing am Schlüsselbrett, die riesige Nothose lag in der Ecke. Paul kam in der Unterhose aus dem Zimmer in den Flur und stand in der Sonne, in einem langen Viereck, das zwischen Fußboden und Wand den Schatten seiner Beine oberhalb der Knie knickte.
Warum lachst du immer bis zur Schadenfreude, fragte er.
Das klang, wie wenn Nelu sagte:
Nun hast du wieder dein dreckiges, verkehrtes Glück.
Bei Nelu war was dran, ich hatte es, weil ich es brauchte. Im Schadenanrichten war Nelu nicht zu übertreffen. Aber meine Zunge war schneller, meine Hände waren geschickter als seine. Beim Rasieren vergaß er Haare am Kinn, beim Kaffeekochen kippte der Tauchsieder aus dem Topf. Beim Schuhebinden knuddelte er, es dauerte ewig, und eine ordentliche Schleife kam nie zustande. Über Knöpfe konnte er viel reden, aber annähen konnte er keinen.
Du hast dir wieder mal in die Hände geschissen, sagte ich, wenn ihm etwas mißlang.
Alle paar Tage stieß er sich die Schläfe an der Schranktür. Wenn sein frischgespitzter Bleistift auf den Boden fiel, bückte er sich und vergaß, daß über seinem Kopf eine Schublade offen ist. Zu dem frischen Knubber sagte ich:
Heute blüht wieder ein Veilchen.
Und lachte, bis er aus meiner Verachtung hinaus in den Fabrikhof lief, um vor anderen wieder etwas zu gelten. Wie lang er auch wegblieb, wenn er kam, lachte ich noch immer oder fing wieder an. Er massierte seinen frischen Knubber, und die grünblauen anderer Tage standen daneben.
Es kann sein, daß meine Lachanfälle wegen Nelu denen mit Paul ähnelten. Doch war mir bei Nelu die Verachtung wichtig, es war Schadenfreude von Anfang an. Nelu hatte jedes Mißgeschick verdient. Was ihm zustieß, war noch viel zu wenig. Es war mir recht, wenn Nelu mein verkehrtes Glück nicht aushielt. Aber dreckig war es nicht. Dreckig war seines, das mich in die Enge trieb, bis ich entlassen wurde. Sich glattrasieren, Schuhebinden, einen Knopf annähen sind Lieblichkeiten für den eigenen Gebrauch. In einer Fabrik bewähren kann man sich damit nicht, da zählen ganz andere Sachen ...
Natürlich übte ich mein verkehrtes Glück umsomehr, nachdem Nelu den Schaden angerichtet hatte. Seit den ersten Zetteln tat mein Lachen so, als pfeife es auf den Schaden. Schadlos halten konnte es mich nicht.
Nach dem Tanzen fuhr Paul mit der Java in die Stadt, um zwei Paar Schuhe zu kaufen. Ein Paar zum Anziehen und ein Paar Notschuhe für den Werkzeugschrank. Ich sah ihm nach, die rote Java war auf der Straße unten so schön wie die rotemaillierte Kaffeedose auf dem Küchentisch. Ich ging durch den Sonnenfleck im Flur, und ich wußte mit mir nicht wohin. Da fand ich in der Abstellkammer meine ersten Brautschuhe, sie waren weiß. Meine zweiten, die waren braun. Darüber lagen Pauls Sandalen mit Löchern in den Sohlen, vom letzten Sommer. Der Herbst war über Nacht gekommen, ein niedriger Himmel, Regen drückte das faulige Laub in die Erde. Wir warfen die Sommersachen von einem Tag auf den anderen in die hintersten Ecken und brauchten unser Geld für Winterkleider, nicht für ziemlich teure Halbsohlen an Sandalen. Schon wegen des Wetters wär ich nicht mit Sommerschuhen zum Schuster gegangen. Bis ihre Zeit wieder kam, das dauerte noch lange. Das Allernötigste war schon zu viel.
Der Sonnenfleck hatte sich ganz auf den Boden gelegt, die geliehene Hose aber nicht berührt, noch nicht. Ich faßte sie auch nicht an. In der Wohnung war die Stille, die einen vergrößert vom Boden zur Decke, wo man nicht sein kann. Sogar ein Teller, der vom Tisch, ein Bild, das von der Wand fällt, als würde mein Tata wieder sterben, wäre besser gewesen. Mit zögerlichen Händen ging ich durch den Sonnenfleck ins Zimmer und schloß das Fenster, sah aber vorher noch hinaus: Auf dem Gehsteig, wo kein normaler Mensch parken darf, sitzen zwei Personen in einem roten Auto. Eine fuchtelt mit den Händen, die andere raucht. Ich ging aus dem Zimmer in den Flur, in die Küche, in den Flur. Ich kenn dieses Gehwerk, in dem man vergißt, was man gerade noch mit sich wollte, bevor es einem richtig einfällt. Hin und her mit schlurfenden oder zu hoch gestelzten Schritten, rasch weg von dort, wo die Nase steht. Ich warf die Brautschuhe in die Abstellkammer und schloß die Tür. Ich nahm Pauls Sandalen und
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