Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
schwebte, beinahe so, als würde sie von einem Lautsprechersystem übertragen werden. Ich vermute, es wird eine Art Stimmverstärkungszauber gewesen sein.
»Meine Damen und Herren, angesichts des vollen Stundenplans sollten Sie heute früh zu Bett gehen. Licht aus in zehn Minuten.«
Ich sah auf meine Armbanduhr. »Es ist acht Uhr«, sagte ich fassungslos. »Sie will, dass wir um acht ins Bett gehen?«
Jenna öffnete seufzend ihren Schrank und nahm ihren Schlafanzug heraus. »Willkommen im Hecate-Alltag, Sophie.«
Es folgte ein wilder Ansturm aufs Badezimmer zum Zähneputzen, aber ich sah nur Gestaltwandler und Hexen. Elfen haben wohl von Natur aus saubere Zähne. Als ich vom Bad zurück war, blieben mir nur noch drei Minuten, um meinen Schlafanzug anzuziehen und ins Bett zu hüpfen. Pünktlich um acht Uhr zehn erloschen die Lichter.
Mir schwirrte der Kopf, ich wusste überhaupt nicht, wie ich jemals einschlafen sollte. »Ist es nicht etwas komisch für dich«, fragte ich Jenna, »nachts zu Bett zu gehen? Ich meine, schlafen Vampire normalerweise nicht tagsüber?«
»Doch«, antwortete sie. »Aber solange ich hier bin, muss ich mich an den Zeitplan der Schule halten. Es wird grässlich werden, wenn ich hier irgendwann wieder rauskomme.«
Ich fragte Jenna lieber nicht, wann sie hier rauskommen würde. Alle anderen wurden mit achtzehn Jahren aus der Schule entlassen, aber wir alterten ja auch wie Menschen. Jenna würde immer fünfzehn bleiben.
Ich rollte mich im Bett zusammen und versuchte, schläfrige Gedanken zu denken. Es kam mir vor, als hätte ich gerade erst die Augen zugemacht, als ich das Knarren der Zimmertür hörte.
Panisch und mit klopfendem Herzen fuhr ich hoch. Die Uhr neben meinem Bett zeigte kurz nach Mitternacht.
Eine dunkle Gestalt glitt in den Raum.
Scharf sog ich die Luft ein. »Entspann dich«, murmelte Jenna aus ihrem Bett. »Ist wahrscheinlich bloß einer der Geister. Das machen sie manchmal.«
Dann hörte ich das leise Zischen eines angerissenen Streichholzes, und eine kleine Flamme erhellte die Gestalt.
Elodie.
Sie trug einen violetten Seidenschlafanzug und hielt eine schwarze Kerze in den Händen. Zwei andere Kerzen flammten auf, und ich sah Chaston und Anna, ebenfalls im Schlafanzug, hinter Elodie stehen.
»Sophie Mercer«, sagte Elodie mit tragender Stimme, »wir sind gekommen, um dich in unsere Schwesternschaft aufzunehmen. Sprich die fünf Worte, um das Ritual zu beginnen.«
Ich blinzelte sie an. »Seid ihr jetzt völlig durchgeknallt?«
Anna stieß einen entnervten Seufzer aus. »Nein, die fünf Worte lauten: ›Ich akzeptiere euer Angebot, Schwestern‹.«
Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht. »Ich hab euch doch vorhin schon gesagt, dass ich noch nicht weiß, ob ich eurem Zirkel beitreten will. Ich spreche auf keinen Fall eine Formel, um irgendein Ritual zu beginnen.«
»Die fünf Worte zu sagen heißt nicht, dass du automatisch beitrittst«, erklärte Chaston und tat einen Schritt nach vorn. »Es bedeutet nur, dass das Aufnahmeritual seinen Anfang nehmen kann. Du kannst jederzeit einen Rückzieher machen.«
»Ach, tu ihnen den Gefallen«, sagte Jenna. Ich konnte sie im Kerzenlicht sehen; sie saß ganz gerade in ihrem Bett, einen wachsamen Ausdruck in den dunklen Augen. »Sie werden dich nicht eher in Ruhe lassen, bis du sie angehört hast.«
Elodie kniff die Lippen zusammen, sagte aber nichts.
»Na schön«, gab ich nach, warf meine Decken beiseite und stand auf. »Ich … ich akzeptiere euer Angebot, Schwestern.«
9
Die drei führten mich in das Zimmer von Elodie und Anna.
»Wie habt ihr beide es geschafft, ein gemeinsames Zimmer zu bekommen?«, flüsterte ich. »Ich dachte, in Hecate legen sie großen Wert darauf, dass wir lernen, mit anderen Prodigien zusammenzuleben.«
Elodie kramte auf ihrem Schreibtisch herum und ließ nicht erkennen, dass sie mich gehört hatte, also erklärte Chaston: »Hexen müssen sich manchmal zusammentun, weil es immer viel mehr Hexen gibt als Elfen oder Gestaltwandler.«
»Woran liegt das?«, erkundigte ich mich.
Anna antwortete mir, während sie weitere Kerzen entzündete und den Raum in ein sanftes Licht tauchte. »Elfen und Gestaltwandler versuchen nicht so oft wie Hexen, sich in der Menschenwelt zu bewegen. Also ist das Risiko weit geringer, dass sie hierher geschickt werden.«
Elodie hatte ein Stück Kreide in ihrem Schreibtisch gefunden und war damit beschäftigt, ein großes Pentagramm auf den Holzboden zu
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