Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
schimmerten immer noch goldfarben. »Hi, du.«
»Hi«, antwortete ich schwach mit einem Winken.
»Und, was machst du noch so?«
Ich deutete mit dem Kopf auf Elodies Tür. »Hab nur ein bisschen, du weißt schon, Leute besucht. Solltest du nicht draußen sein und durch den Wald laufen oder … was ihr halt so macht?«
Taylor wirkte perplex. »Ach so, nein, das tun doch nur die Werwölfe.«
»Gibt’s da einen Unterschied?«
Alle Freundlichkeit wich aus ihrem Gesicht. »Ja«, blaffte sie. »Ich bin eine Gestaltwandlerin. Das bedeutet, ich werde ein richtiges Tier. Werwölfe sind irgendwas zwischen Tier und Mensch.« Sie schüttelte sich. »Freaks eben.«
»Hör nicht auf sie«, knurrte eine Stimme hinter mir.
Die Werwölfin war größer als Justin, und ihr Fell war rötlich statt golden. Sie stand am anderen Ende des Flurs in der Nähe der Treppe.
»Gestaltwandler sind bloß neidisch, weil wir so viel mächtiger sind als sie«, fügte sie an die Wand gelehnt hinzu. Es war eine sehr menschliche Haltung, die sie um so beängstigender aussehen ließ.
Ich schluckte und wich in Richtung von Elodies Tür zurück. Taylor wirkte nicht verängstigt, nur verärgert.
»Red dir das nur weiter ein, Beth.« Zu mir fügte sie hinzu: »Wir sehen uns morgen, Sophie.«
»Ja, bis morgen.«
Die Werwölfin rührte sich nicht vom Fleck, ihre Zunge hing ihr aus dem Maul, ihre Augen funkelten. Ich würde an ihr vorbeimüssen, um zu meinem Zimmer zu kommen.
Während ich auf sie zuschlenderte, bemühte ich mich um einen unbefangenen Ausdruck. Mein Fuß brannte noch immer von dem Wachs, aber ich humpelte nicht mehr.
Als ich die Werwölfin erreichte, erschreckte sie mich, indem sie eine große Pranke mit tödlichen Klauen ausstreckte. Eine Sekunde lang dachte ich, sie wolle mir den Bauch aufschlitzen. Doch dann sagte sie: »Ich bin Beth«, und ich begriff, dass ich ihr die Pfote schütteln sollte.
Ich tat es. Zaghaft.
»Sophie.«
Sie lächelte. Es war zwar furchterregend, aber dafür konnte sie ja nichts.
»Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte sie mit belegter Stimme.
Okay, so schlimm war das gar nicht. Damit wurde ich schon fertig. Sie hatte also jemanden gefressen. Schön. Sie schien aber nicht vorzuhaben …
Plötzlich stieß sie die Schnauze in mein Haar und nahm einen tiefen, bebenden Atemzug.
Warmer Sabber tropfte von ihrem offenen Maul auf meine nackte Schulter.
Ich zwang mich, ganz ruhig zu bleiben, und einen Moment später ließ sie mich wieder los.
Dann zuckte sie verschämt die Achseln und sagte: »Tut mir leid. Ist so eine Werwolf-Gewohnheit.«
»Hey, kein Problem«, erwiderte ich, obwohl ich nichts anderes denken konnte als: Sabber! Werwolfsabber! Auf meiner Haut!
»Man sieht sich!«, rief sie mir nach, als ich an ihr vorbeieilte.
»Ja, klar!«, rief ich über die Schulter zurück.
Als ich in mein Zimmer kam, stürzte ich sofort zu meinem Schreibtisch und zog eine Handvoll Papiertaschentücher heraus. »Igitt, igitt!«, stöhnte ich, während ich mir die Schulter abschrubbte. Sobald ich entsabbert war, knipste ich meine Lampe an, um nach einem Desinfektionsmittel für die Hände zu suchen.
Dann fiel mir Jenna wieder ein, und ich sah zu ihrem Bett hinüber. »Oh, sorry …«
Jenna saß aufrecht im Bett, einen Beutel mit Blut an den Mund gepresst. Ihre Augen waren leuchtend rot.
»Sorry wegen der Lampe«, beendete ich meinen Satz etwas schwach.
Jenna setzte den Beutel ab, verschmiertes Blut am Kinn. »Kleiner Mitternachtsimbiss. Ich … ich dachte, du würdest eine Weile wegbleiben«, sagte sie leise. Langsam verblasste das Rot in ihren Augen.
»Kein Problem«, sagte ich und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen. Der Magen drehte sich mir um, aber das würde ich Jenna nicht sagen. Ich erinnerte mich an Archers Worte:
Du bist jetzt in Hecate.
Mann, das war mir heute Abend wirklich deutlich gemacht geworden.
»Ob du’s glaubst oder nicht, das ist jetzt noch nicht mal das Abgefahrenste, was ich heute Abend gesehen habe.«
Sie wischte sich mit dem Handrücken übers Kinn und sah mich immer noch nicht an.
»Und, bist du ihrem Zirkel beigetreten?«
»Verdammt, nein«, antwortete ich.
Jetzt sah sie mich an, offensichtlich überrascht. »Warum nicht?«
Ich rieb mir die Augen. Auf einmal war ich richtig müde. »Das ist einfach nicht mein Ding.«
»Wahrscheinlich, weil du keine gemeine Tussi bist.«
»Ja, ich denke, mein Mangel an Tussi-Gemeinheit war wohl der Todesstoß. Dann habe ich
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