Hex Hall 01 - Hawkins, R: Hex Hall 01
noch beobachtet, wie eine Gestaltwandlerin mit ein paar Elfen stritt – ach, übrigens, was zum Teufel ist ein Seelie?«
»Der Seelie-Hof? Das ist eine Gruppe von guten Elfen, die weiße Magie anwenden.«
»Dann möchte ich die bösen lieber gar nicht erst kennenlernen«, murmelte ich.
Jenna deutete mit dem Kopf auf die Papiertücher in meiner Hand. »Was soll das denn?«
»Hm? Ach so. Nach dem Elfenstreit hat eine Werwölfin an meinem Haar gerochen und mich vollgesabbert. Es war wirklich eine interessante Nacht.«
»Und dann bist du in dein Zimmer zurückgekommen, um einen Vampir bei seinem Imbiss zu beobachten«, meinte Jenna. Ihr Ton war unbeschwert, aber sie zerknüllte dabei ihre neonhimbeerrote Tagesdecke.
»Mach dir deswegen keine Sorgen«, erwiderte ich. »Hey, was soll’s, Werwölfe müssen sabbern, Vampire müssen Blut trinken …«
Sie lachte, bevor sie nach dem Blutbeutel griff und schüchtern fragte: »Hast du was dagegen, wenn ich …«
Mein Magen krampfte sich erneut zusammen, aber ich zwang mich zu einem Lächeln: »Dröhn dich ruhig zu.«
Ich warf mich auf mein Bett. »Sie waren ziemlich genervt von mir.«
Jenna hörte auf zu schlürfen. »Wer?«
»Der Zirkel. Sie meinten, ich bräuchte ihren Schutz gegen soziales Losertum, wegen, äh …«
»Weil ich deine Zimmergenossin bin?«
Ich richtete mich auf. »Ja, das gehörte auch dazu. Aber sie sagten dann noch etwas über meinen Dad.«
»Hm«, machte Jenna nachdenklich. »Wer ist dein Dad?«
Ich legte mich wieder hin und schob mein Kissen unter den Kopf. »Einfach ein gewöhnlicher Zauberer, soweit ich weiß. James Atherton.«
»Nie von ihm gehört«, sagte Jenna. »Andererseits bin ich auch nie so richtig auf dem Laufenden. Du denkst also, Elodie und die anderen sind sauer auf dich?«
Ich dachte an Elodies harte Augen. »O ja«, antwortete ich leise.
Plötzlich brach Jenna in Lachen aus.
»Was ist?«
Sie schüttelte den Kopf, und die pinkfarbene Strähne fiel ihr über ein Auge. »Ich hab nur so überlegt. Hey, Sophie, heute ist dein erster Tag hier, und du hast es schon geschafft, dich mit der äußersten Außenseiterin anzufreunden, die prominentesten Mädchen in Hecate zu vergrätzen und eine fette Schwäche für den schärfsten aller Jungs hier zu entwickeln. Wenn es dir gleich morgen noch gelingt, Nachsitzen zu kriegen, dann wirst du so etwas wie eine Legende werden.«
10
Wenn man nach Jennas Definition ging, kostete es mich anderthalb Wochen, eine Legende zu werden. Die erste Woche verlief ziemlich reibungslos, alles in allem. Unter anderem waren die Unterrichtsstunden lächerlich einfach. Sie schienen größtenteils ein Vorwand für unsere Lehrer zu sein, uns vollzuquatschen. Selbst Lord Byron, auf dessen Stunde ich sehr gespannt gewesen war, entpuppte sich als ein echter Schnarchsack. Wenn er sich nicht gerade in poetischen Ergüssen über seine eigene Großartigkeit erging, schmollte er hinter seinem Pult und befahl uns, die Klappe zu halten – obwohl es auch Tage gab, an denen er uns erlaubte, lange Spaziergänge um den Teich zu machen, um eins mit der Natur zu werden . Das machte immerhin Spaß.
Ich hatte vor allem auf den Unterricht im Zaubern gehofft, aber Jenna zufolge gab es das nur an den richtigen Prodigien-Schulen, den vornehmen Internaten also, auf die die mächtigen Prodigien-Eltern ihre Kinder schickten. Da Hecate im Grunde nur eine Besserungsanstalt war, müllte man uns mit Hexenjagden im 16. Jahrhundert und solchem Zeug voll. Ziemlich schwach.
Das einzig Positive war, dass Jenna fast alle Kurse mit mir gemeinsam hatte. »Es gibt hier keinen speziellen Vampirunterricht«, hatte sie mir erklärt. »Also haben sie mir letztes Jahr einfach denselben Stundenplan gegeben wie Holly. Und dieses Jahr haben sie wohl beschlossen, es wieder so zu machen.«
Der einzige Kurs, den Jenna nicht mit mir zusammen besuchte, war Sport, oder wie sie es in Hecate nannten, Verteidigung . Das stand jede zweite Woche auf meinem Stundenplan, weshalb ich die Hälfte meiner zweiten Woche in Hecate bereits hinter mir hatte, bevor ich das erste Mal hinging.
»Warum findet das nur jede zweite Woche statt?«, fragte ich Jenna am Morgen. »Alles andere haben wir doch jeden Tag.«
Ich zog meinen wirklich abscheulichen hecateblauen Trainingsanzug an, der aus einer knallblauen Baumwollhose und einem blauen T-Shirt bestand, das eine Spur zu eng war, um sich darin wohlzufühlen. In schnörkeliger, weißer Schrift direkt über meiner
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