Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
richtig.
»Ja«, erwiderte ich und versuchte, wenigstens ein bisschen Begeisterung vorzutäuschen. »Kann es kaum erwarten!« Nichts wünschte ich mir an diesem Abend weniger, als mit einem Haufen von Prodigien und zwei Dämonen abzuhängen, von denen einer ganz offensichtlich recht unbeherrscht war.
»Du weißt ja, wenn du uns bei deinem Dad verpfeifst, schmeißt er uns wahrscheinlich raus«, sagte Nick, während er die Tür öffnete.
»Oh, nein, das würde mir aber echt leidtun, nachdem ihr mich doch so freundlich empfangen habt«, antwortete ich strahlend.
»Sie hat recht«, meinte Daisy tadelnd und zupfte an Nicks Ärmel. »Sei mal nett.«
Er musterte mich mit diesen bedrohlich blauen Augen.
»Ich werd’s versuchen«, sagte er schließlich.
Dann traten wir in den feuchten Abend hinaus. Gleich hinter der Tür führte ein Kiesweg zu einer langen, schulterhohen Hecke und verlor sich in den Schatten des Waldes, der an den hinteren Teil von Thorne Abbey grenzte.
Als wir den Windungen des Pfades folgten, umklammerte Jenna meinen Arm. Vor uns hatte sich Daisy eine Zigarette angezündet, deren Spitze bei jedem Zug rot aufglühte. Nick ging mit den Händen in den Hosentaschen neben ihr her. Sie unterhielten sich miteinander, er sprach leise und abgehackt. Und ich war mir ziemlich sicher, meinen Namen gehört zu haben.
»Die sind gar nicht so übel«, flüsterte Jenna. »Und es scheint ihnen auch völlig egal zu sein, dass ich ein Vampir bin. Offenbar haben sie in dem Club, in den wir heute Abend gehen, schon jede Menge Vampire kennengelernt. Der Laden heißt übrigens Shelley’s.«
»Shelley’s?«
»Ja, du weißt schon. Mary Shelley. Frankenstein, Monster …«
»Niedlich.«
Als wir den Waldrand erreichten, sah ich, dass der Kiesweg zwischen den Bäumen weiterführte, nur dass er hier erheblich schmaler war. Meine Absätze versanken im feuchten Boden, und schon bald waren die beiden Teeny-Dämonen Jenna und mir weit voraus. Ich schob die Hände tief in die Taschen und fragte mich, ob ich wohl jemals wieder in der Lage sein würde, bei Nacht durch einen Wald zu gehen, ohne an Alice zu denken und daran, wie sie die ganze Zeit über Zaubersprüche mit mir geübt hatte.
Der Pfad endete direkt vor einem großen Steinbau. Nick war nirgendwo zu sehen, aber Daisy stand in der Tür. »Kommt«, sagte sie und winkte uns heran, bevor sie im Inneren verschwand.
Wir folgten ihr. Und obwohl der Abend recht warm war, fühlte sich das steinerne Bauwerk feucht und düster an. Der modrige Geruch von Alter und Verfall hing in der Luft. Ich hörte lautes Flügelschlagen, und als ich aufschaute, flog gerade ein gewaltiger dunkler Vogel aus einem riesigen Loch im Dach. »Was ist das hier?«, fragte ich.
»Früher war es die Kornmühle des Landguts«, antwortete Daisy. Sie deutete auf das zerstörte Dach. »Da ist vor ungefähr sechzig Jahren bei einem Unwetter ein Baum draufgestürzt.«
»Warum reißt man die Ruine denn nicht ab?«, wollte Jenna wissen.
Selbst in dem dämmerigen Licht konnte ich Daisys kritischen Blick erkennen. »Weil«, erklärte sie, »die Mühle einen Itineris beherbergt.«
»Das ist doch nicht etwa so eine Art grässliches lateinisches Ungeheuer, oder?«, fragte ich und versuchte, nur eine Braue hochzuziehen.
Daisy lachte, während sie über heruntergefallene Balken kletterte, um uns noch weiter in die Mühle hineinzuführen. »Es ist zwar lateinisch, aber es bedeutet Reise oder Straße.«
Ich stolperte über einen Haufen Schutt. »Na ja, das klingt spaßig und beängstigend zugleich«, murmelte ich, doch Daisy war schon ein ganzes Stück voraus und hörte mich nicht.
Nick stand an der Rückwand des Gebäudes, gleich neben einer großen Öffnung, die bestimmt drei Meter hoch war. Sie sah wie ein Eingang aus, aber dahinter lag nichts als Dunkelheit.
»O Mann, ich hoffe nur, dass wir nicht den ganzen Weg nach London kriechen müssen«, bemerkte ich. Doch als ich näher kam, erkannte ich schließlich, dass es gar nicht die Öffnung eines Tunnels war, wie ich ursprünglich angenommen hatte. Der Eingang führte in eine flache Nische hinein, die nicht einmal einen Meter tief war.
Daisy lächelte mich schüchtern an. »Ich geh davon aus, dass du noch nie mit einem Itineris gereist bist, oder?«
»Ich weiß ja nicht mal, ob ich es buchstabieren könnte.«
Zu meiner Überraschung schenkte mir Nick jetzt ein winziges Lächeln, das sogar richtig echt aussah und nicht so durchgeknallt. Dann trat er in die
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