Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
Besser war es da, einen auszuwählen, der zwar schwerer zu treffen wäre, aber dafür weniger Schnittwunden und Schmerzen verursachen würde.
Schließlich entschied ich mich für einen Spiegel direkt neben Dad, einfach weil er nicht größer war als meine Hand. Ich richtete meine volle Konzentration darauf. Zerbrich.
Das Geprassel war ohrenbetäubend. Jeder einzelne Spiegel explodierte und ein glitzernder Splitterregen flog in alle Richtungen. Ich schrie und riss schützend die Hände hoch, doch die Scherben berührten mich gar nicht. Sie hingen ungefähr acht Zentimeter vor meinem Gesicht in der Luft und schwebten dort – zwar nur für einen Moment, aber lange genug, um meine weit aufgerissenen, panischen Augen in Tausenden glänzender Spiegelstückchen zu sehen. Dann glitten die Splitter langsam zurück in die leeren Rahmen. Es folgte ein Geräusch, als platze eine riesige Blase, und im nächsten Augenblick waren alle Spiegel wieder unversehrt.
Ich drehte mich herum. Dad stand noch am Fenster und hielt beide Hände ausgestreckt, auf seiner Stirn glänzten feine Schweißperlen. Er ließ die Arme sinken, sackte gegen das Fenster und atmete tief ein.
»Es tut mir leid!«, stieß ich hervor. »Ich hab’s dir ja gesagt, ich kann das einfach nicht. Wann immer ich versuche, irgendeinen Zauber zu wirken, wird er übergroß und furchteinflößend und explosivistisch und …«
Dad rieb sich die Stirn. »Nein, Sophie, alles ist gut. Ich hatte gehofft, dass du genau dies tun würdest.«
»Du hast gehofft, dass ich Spiegelmord begehe?«
Er lachte, was allerdings ein wenig außer Atem klang. »Nein, ich hatte gehofft, auf diese Weise herauszufinden, wie mächtig du wirklich bist.« Seine Augen strahlten, und darin lag etwas, das Stolz hätte sein können. »Du hast meine Erwartungen übertroffen.«
»Na denn, juhu«, erwiderte ich. »Bin ja so froh, dass dich meine Fähigkeit beeindruckt, Schrott in die Luft zu jagen, Dad.«
»Dein Sarkasmus ist …«
»Ja, ja, ich weiß, eine wenig wünschenswerte Eigenschaft bei einer jungen Dame .«
Doch Dad grinste und sah plötzlich viel jünger aus und kaum noch wie ein Mann, der seine Krawatten bügelte. »Tatsächlich wollte ich sagen, dass es etwas ist, das du von mir haben musst. Grace hat sarkastische Bemerkungen nämlich immer schon gehasst.«
»Oh, ich weiß«, antwortete ich, ohne nachzudenken. »Deswegen hatte ich in der siebten Klasse fast durchgehend Stubenarrest.«
Er schnaubte. »Einmal hat sie mich in Schottland am Straßenrand abgesetzt, nur weil ich einen völlig harmlosen Scherz über ihr Talent als Landkartenleserin gemacht habe.«
»Nee, wirklich?«
»Mm-hmm. Ich musste fast fünf verdammte Kilometer zu Fuß gehen, bevor sie stehen geblieben ist, um mich wieder einsteigen zu lassen.«
»Mann. Mom ist manchmal echt heftig.«
Einen Moment lang lächelten wir uns an. Dann räusperte er sich und wandte den Blick ab. »Wie dem auch sei, deine Kräfte sind definitiv beeindruckend, aber was dir fehlt, ist Kontrolle.«
»Ja, so weit war ich auch schon.«
Dad stieß sich vom Fenster ab. »Alice hat dir Zaubersprüche beigebracht.« Dies war keine Frage.
»Die hab ich auch schon nicht richtig hingekriegt«, erwiderte ich, ohne ihn anzusehen. »Elodie hat viel schneller gelernt als ich.«
Dad musterte mich eine Weile sehr eingehend, bevor er weitersprach: »Cal sagt, du hättest einen Transportzauber verwendet, um Alice nah genug zu kommen und sie dann zu töten.«
»Cal hat eine große Klappe«, murmelte ich.
»Und, hast du es getan?«, fragte er.
»Ja«, bestätigte ich, »aber das waren vielleicht gerade mal zwei Meter. So beeindruckend war das nun wirklich nicht. Wie gesagt, Elodie hatte das schon viel früher drauf als ich.«
»Aber Elodie war eine Hexe«, bemerkte Dad. »Für sie muss es viel leichter gewesen sein, ihre Kräfte zu konzentrieren.«
»Wie meinst du das?«
»Der Vergleich deiner Kräfte mit denen von Elodie ist in etwa so, als wolle man einen Geysir mit einer Wasserpistole vergleichen. Deine Magie ist wesentlich größer, als ihre es war, aber sie ist … sagen wir, eher unhandlich. Und wenn du dann noch mit einbeziehst, wie viel emotionales Leid du in Hecate ertragen musstest, ist es auch keineswegs verwunderlich, dass deine Zauber die Neigung haben – wie hast du dich ausgedrückt? –, explosivistisch zu sein.«
Ich schüttelte den Kopf. »Meine Zauber waren doch schon miserabel, bevor ich nach Hex Hall kam. Erinnerst du dich an
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