Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02
noch bevor du Zeit hättest, mit deinen hübschen braunen Augen zu blinzeln. Oder ich könnte das Gewebe der Zeit auseinanderreißen, so dass …«
»Okay, das ist alles wirklich ganz toll, Nick«, unterbrach ich ihn jetzt und zog sowohl ihn als auch Daisy von der Hexe weg. »Aber ich glaube, da hinten steht mein Dad, also sollten wir jetzt lieber mal gehen. Wiedersehen! Danke für Ihren Besuch!«
Sobald wir außer Hörweite waren, wandte ich mich Nick zu. »Was sollte das denn jetzt?«
Er nahm einen Schluck von seinem neuen Drink. »Ich hab ihr nur gegeben, was sie wollte. Die wollen doch alle, dass wir angsteinflößende, mächtige Kreaturen sind und locker dazu imstande, das Auge für sie zu töten. Deswegen haben sie uns schließlich erschaffen, oder etwa nicht?«
Ich presste mir kurz die Handballen auf die Augen – was allerdings zur Folge hatte, dass ich die Glitzerpaste auf meinen Wimpern verschmierte.
Daisy tätschelte Nicks Arm, dabei neigte sich ihre Lorbeerkrone ziemlich stark nach rechts. »Schätzchen, können wir das Gerede übers Töten bitte sein lassen? Wir sind hier auf einer Geburtstagsparty.« Sie beendete den letzten Satz mit einem kleinen Schluckauf, und auf einmal hatte ich die beiden so was von satt. Ich wollte mit Jenna reden. Oder mit Cal. Jedenfalls mit irgendjemandem, der normal war – na ja, so normal, wie meine Freunde eben sein konnten – und vorzugsweise nüchtern.
»Vielleicht schnappe ich mir doch mal ein Geschenk«, sagte ich zu ihnen. Nach höchstens vier Schritten stürzte aber schon wieder dieser Kellner auf mich zu. »Einen Drink, Miss?«, fragte er und hielt mir das Tablett hin.
»Jetzt passen Sie mal auf«, sagte ich und stolperte beinahe über einen meiner wallenden Fledermausärmel, »ich weiß ja nicht, ob Sie versuchen, sich bei mir einzuschleimen oder so, aber …«
Ich blickte in sein maskiertes Gesicht, unsere Blicke trafen sich.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
26
Zwar konnte ich es hinter der Maske nicht genau sehen, aber ich hatte so das Gefühl, als zöge Archer eine Augenbraue hoch. »Wen sollst du denn darstellen?«, fragte er mit leiser Stimme.
Ich atmete tief durch und versuchte, meine Miene so ausdruckslos wie möglich zu halten. Falls irgendjemand zu mir herübersah, musste er glauben, dass ich mich lediglich mit einem Kellner unterhielt und nicht etwa mit einem Auge, noch dazu genau in der Mitte dieser illustren Versammlung hochrangiger Prodigien. »Hekate«, antwortete ich und nahm mir ein Glas von seinem Tablett. »Was tust du hier?«
Er zuckte die Achseln und brachte es irgendwie fertig, selbst in seiner Kellneruniform noch elegant auszusehen. »Geht doch jeder gern auf Partys, oder? Außerdem dachte ich mir, das könnte die Gelegenheit sein, dich noch einmal in diesem blauen Kleid zu sehen.«
Meine Finger hielten den Kristallkelch so krampfhaft fest, dass der Stiel eigentlich hätte brechen müssen. »Du bist definitiv verrückt«, sagte ich, sehr um einen ruhigen Tonfall bemüht. »Oder ein Idiot. Oder ein verrückter Idiot. Warum hast du nicht wenigstens einen Glamourzauber benutzt … oder so?«
»Keiner dieser Leute hat mich schon mal irgendwo live gesehen«, erwiderte er und tat nun so, als stelle er die Gläser auf seinem Tablett um, »also reicht die Maske völlig aus. Mit irgend so einem Glamour hätte ich erst recht auf mich aufmerksam gemacht. Mir wäre dieser ganze Aufwand natürlich erspart geblieben, hättest du dich einfach vor drei Wochen mit mir getroffen.«
Es mochte an der schwachen Beleuchtung oder auch an der Maske gelegen haben, doch ich war mir ziemlich sicher, dass in seinen Augen ganz kurz echter Zorn aufblitzte.
»Ich konnte nicht«, sagte ich und lächelte, als hätte er gerade eine witzige Bemerkung gemacht. Mir schlug das Herz bis zum Hals, und ich konnte meine Kräfte kaum unter Kontrolle halten. »Du solltest lieber verschwinden. Sofort.«
Jetzt bestand kein Zweifel mehr – Archer war definitiv sauer. »Hast du eigentlich den leisesten Schimmer, in was für eine Gefahr mich das bringt, heute Abend hier zu sein?«, zischte er. »Und die geht nicht nur von deinen Leuten aus, sondern auch von meinen.«
Unauffällig sah ich mich um und betrachtete die Geburtstagsgäste, aber niemand schien mich überhaupt zu beachten. Was sich vermutlich schlagartig ändern würde, wenn ich anfing, einen Kellner anzubrüllen. Also warf ich Archer stattdessen einen Blick zu, von dem ich hoffte, dass er
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