Hexen-Horror
zurück. Oder sind Sie gekommen, um mir zu sagen, dass Sie ihn gefunden haben?«
»Das ist leider nicht der Fall, Frau Hirmer. Aber Sie haben Recht. Wir suchen tatsächlich Ihren Sohn.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen keinen Hinweis geben. Ich weiß nicht, wo er ist. Er kam vom Training nicht mehr nach Hause, aber das wissen Sie ja.«
Ich hob die Schultern. »Können Sie sich denn vorstellen, wo Ihr Sohn hingegangen sein könnte?«
»Nein, das kann ich nicht. Ich weiß nur, dass er nicht freiwillig verschwunden ist. Das sagt mir einfach mein Gefühl. Man hat ihn entführt, und es hat sich keiner dieser Schweine bei mir gemeldet.« Sie rührt wieder weiter. »Warum, glauben Sie, habe ich hier diese Arbeit angenommen? Weil ich mich ablenken will. Weil ich nichts mehr davon hören kann. Ich weiß auch nicht, ob mein Sohn noch lebt oder schon tot ist. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
Suko, der wie ich einige Schlucke getrunken hatte, stellte die nächste Frage. »Sie wissen nicht zufällig, mit wem Ihr Sohn Kontakt gehabt hat? Abgesehen von seinen normalen Freunden.«
»Nein, das weiß ich nicht. Ich habe mich immer auf ihn verlassen können.« Sie schüttelte den Kopf, holte tief Luft und fragte dann mit zischender Stimme: »Und überhaupt. Wer sind Sie eigentlich, dass Sie derartige Fragen stellen?«
»Wir suchen Ihren Sohn.«
»Aber Sie sind doch Ausländer?«
»Ja, Engländer«, erklärte Suko. »Ist das schlimm?«
»Quatsch, nein. Ich wundere mich nur, dass sich fremde Personen um das Verschwinden meines Sohnes kümmern. Das ist doch Sache der Münchener Polizei – oder?«
»Manchmal muss man international arbeiten. Denken Sie daran, dass Europa immer mehr zusammenwächst.«
»Toll, Ihre Ausrede. Wirklich absolut toll. Das soll ich Ihnen glauben, wie?« Elke Hirmer war plötzlich misstrauisch geworden und beugte sich uns entgegen. »Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube Ihnen kein Wort. Wahrscheinlich sind Sie keine Bullen und stehen auf der anderen Seite. Ich werde Ihnen schon zeigen, wo es langgeht...«
»Moment«, mischte ich mich ein, denn ich wollte nicht, dass die Befragung eskalierte. Mit meinem Ausweis konnte sie vielleicht nicht viel anfangen, er sah aber zumindest aus wie ein Dokument, und so etwas beeindruckte immer.
»Ja, gut, und was soll das?«
»Es war nur zu Ihrer Sicherheit, Frau Hirmer. Nicht, dass Sie denken, wir stünden mit der Gegenseite in Verbindung.«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll.« Ihre Stimme sackte weg. Automatisch rührte sie in dem großen Glühweinkessel herum. Es war schon günstig, dass sie nicht bedienen musste. Und plötzlich schimmerten Tränen in ihren Augen. »Es ist alles so grauenvoll. Mein Kind ist verschwunden. Verdammt«, presste sie hervor, »Dennis ist doch erst vierzehn.«
»Ja, das wissen wir.«
Sie stemmte sich mit beiden Händen gegen eine Kante an der Innenseite des Standes. »Und?«, fragte sie dann mit heiserer Stimme. »Was wissen Sie denn noch?«
»Nichts«, sagte ich leise. »Oder zu wenig. Wir wissen nur, dass Ihr Sohn verschwunden ist und wir ihn suchen müssen, das ist alles. Tut mir Leid, Frau Hirmer.«
»Und warum wollen gerade Sie ihn finden?«, rief sie. »Sie als Ausländer! Da stimmt doch was nicht!«
»Wir haben in London so etwas wie eine Spur aufgenommen«, erklärte Suko.
Die Antwort hatte Elke Hirmer sprachlos gemacht. Sie musste erst darüber nachdenken und fragte dann: »Kann es sein, dass sich mein Sohn in London aufhält?«
»Dann wären wir nicht hier, Frau Hirmer. Die Londoner Spur ist auch verloschen. Wir gehen davon aus, dass sich Ihr Sohn in München aufhält und auch von Personen entführt wurde, die hier leben.«
»Aber wer tut so etwas?«
Ich schaute in ihr rot angelaufenes Gesicht und fragte: »Hat Dennis mit Ihnen je über Hexen gesprochen? Hat er diesen Begriff in Ihrem Beisein mal erwähnt?«
»Hexen?« Nach dieser Frage blieb bei ihr der Mund offen. Erst nach einem Schlucken flüsterte sie: »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Es ist nur eine sehr vage Spur.«
»Nein, nein!« Sie schüttelte ein paar Mal den Kopf. »Über Hexen hat er nicht gesprochen. Zumindest nicht mit mir.« Sie hob die Schultern an. »Was soll das auch? Dem Alter, in dem man Märchen hört, ist Dennis längst entwachsen.«
»Gut, wenn Sie das sagen«, murmelte ich und widmete mich wieder meinem Glühwein, der in der Zwischenzeit ziemlich abgekühlt war und den Namen nicht mehr verdiente.
Wir konnten es
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