Hexen-Horror
drehen und wenden, wie wir wollten, aber wir traten auf der Stelle. Da gab es kein Vor und auch kein Zurück. Wir wussten ebenso viel wie vor unserem Abflug.
Aus dem Hintergrund schob sich eine Gestalt an den Glühweinstand heran. Wir sahen sie erst, als sie sich neben Suko stellte, aber nicht so nah, als dass sie ihn berührt hätte.
Es war eine alte Frau. Wenn ich sie so betrachtete, dann sah sie aus wie jemand, der fror und sich gegen die Kälte mit einem dunklen kuttenähnlichen Mantel schützte, zu dem eine Kapuze gehörte, die sie über den Kopf gezogen hatte. Dort lag sie auf der Stirn an wie ein Tuch. Wir sahen sie nur im Profil und erkannten, dass ihre Nase vorwuchs wie ein fleischiger Höcker.
Es ist immer schlecht, wenn jemand Vorurteile gegen andere Menschen hegt. Danach versuchte ich, immer zu handeln. Aber diese alte Frau sah schon ungewöhnlich aus. Sie passte einfach nicht in diese Szenerie hinein. Sie sah auch nicht aus wie eine Bettlerin, sondern eher wie eine Person, die genau wusste, was sie wollte.
Von uns wollte sie nichts, aber sie interessierte sich für die Hirmer. Zwei bleiche Finger winkten ihr zu, und Frau Hirmer begriff die Geste sehr schnell.
»Was möchten Sie?«
»Kommen Sie näher.«
Das bekamen wir noch mit. Mehr allerdings nicht, denn die alte Frau fing an zu flüstern.
Ich möchte nicht wieder meine Bauchgefühl ins Spiel bringen, aber was da ablief, erweckte schon mein Interesse. Vor allen Dingen deshalb, weil wir nicht als normale Gäste hier herumstanden, sondern einer Entführung nachgehen wollten.
Sie flüsterten. Die Alte bewegte zuckend ihre blassen Lippen, und einmal umfasste sie auch das rechte Handgelenk der Elke Hirmer, als wollte sie ihr durch diese Geste etwas besonders eindringlich begreiflich machen.
»Da läuft was ab«, sagte Suko.
»Denke ich auch.«
Elke Hirmer hatte zugehört. Dann schüttelte sie den Kopf, wollte etwas sagen, aber ihr versagte die Stimme. Sie wurde losgelassen, und für einen Moment hatten wir den Eindruck, dass sie einfach zusammensackte und in die Knie brach. Sie hielt sich fest, atmete scharf und war kalkbleich im Gesicht geworden.
Die Besucherin lächelte. Es war kein fröhliches Lächeln, sondern ein wissendes und zugleich warnendes. Sie sagte nichts mehr, aber sie kümmerte sich auch nicht um die anderen Gäste. Auch schienen wir ihr nicht aufgefallen zu sein.
»Was hat sie Ihnen gesagt, Frau Hirmer?«
Elke Hirmer schwieg.
»Bitte...«, drängte ich.
»Nein, nein. Ich kann nichts sagen. Ich... ich... darf nicht...«
»Geht es um Ihren Sohn?«
»Gehen Sie. Fragen Sie nicht mehr weiter.« Jedes Wort drang stockend über ihre Lippen. Als hätte sie zuvor darüber nachgedacht, was sie sagen sollte. Ich schaute in ihr Gesicht, das so anders geworden war. So nachdenklich und mit einem Blick versehen, der verloren wirkte und in weite Fernen gerichtet war.
Suko sprach nicht. Er ließ die alte Frau nicht aus den Augen, die sich harmlos benahm und sich zur Seite gedreht hatte, weil sie der ganze Trubel nicht mehr interessierte.
Noch mal versuchte ich es. Ich stellte die Frage flüsternd, aber letztendlich laut genug. »Was hat man Ihnen über Ihren Sohn gesagt, Frau Hirmer?«
»Lassen Sie mich in Ruhe.«
»Lebt er?«
»Gehen Sie!«
Es war ihr Fehler gewesen, die letzte Antwort so laut zu schreien. Denn jetzt war auch die alte Frau aufmerksam geworden. Eigentlich hatte sie schon gehen wollen, nun drehte sie sich um und schaute uns an.
Besonders mich!
Ich wich dem Blick der kleinen kalten Augen nicht aus. Plötzlich war alles andere verschwunden. Die Zeit zwischen uns stand einfach still. Es gab nur sie und mich.
Urplötzlich verzerrte sich ihr Gesicht in einem Anfall von wildem Hass!
***
Dennis Hirmer hatte das kleine Bad verlassen und war wieder zum Tisch gegangen, an dem er seinen Platz gefunden hatte. Das Kreuz brannte auf seiner Stirn. Es war das Zeichen. Aber nicht das Signum der Erlösung, sondern des Bösen.
Er merkte genau, dass mit ihm etwas passiert war. In seinem Innern rumorte es. Eine Hitzewelle nach der anderen strich in ihm hoch und überschwemmte sein Denken.
Er fühlte sich fremd in seinem eigenen Körper. Leib und Seele passten nicht mehr zusammen. Er war nicht mehr der Junge, der er noch vor zwei Stunden gewesen war.
Verzweifelt versuchte Dennis, seine Gedanken zu ordnen. Nur kam er nicht weit. Immer wieder wurde er unterbrochen, wenn er über seine persönliche Vergangenheit nachdachte.
Er
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