Hexenblut
Flammen schossen aus dem Spalt. Schwarzlicht erblühte daraus wie dichter Qualm. Sogleich beschworen Jer, Eli und Eve Feuerbälle und schleuderten sie in flammendem Bogen. Die Feuerbälle prallten gegen eine gigantische, schwarz geschuppte Dämonengestalt, ganz Zähne, Klauen und Hornspitzen. Es war Sir William Moore, jedenfalls seine jetzige Gestalt. Jer hatte mit eigenen Augen gesehen, wie dieses Geschöpf aus Sir Williams menschlichem Körper hervorgebrochen war. Nun entfaltete es seine Schwingen und blickte auf das Trio hinab. Schauer liefen Jer über den Rücken, doch er hielt den Kopf hoch erhoben.
»Sir William«, rief er mit donnernder Stimme, »ich bin Jeraud Deveraux.«
Das riesige Maul des Dämons teilte sich zu einem sabbernden Grinsen. Blutiger Geifer troff von seinen rasiermesserscharfen Fangzähnen, die Schwingen peitschten durch den Regen. Er ballte die Klauenfüße und lockerte sie wieder. Mächtige Augen glommen scharlachrot.
»Sir William!«, rief eine andere Stimme. Es war Laurent. Er hob die linke Hand, die in einem Panzerhandschuh aus rotem Metall steckte. »Willkommen! Wir haben auf Euch gewartet!«
Der Dämon verneigte sich hoheitsvoll vor Jer, Eli und Eve und kehrte Laurent das Hinterteil zu. Jer blieb vor Staunen der Mund offen stehen.
»Ich bin hier. Ich stehe auf eurer Seite, Jeraud«, zischelte er, und die Stimme ließ Jer schaudern. »Ich werde euch helfen, eure Ahnen und ihre Verbündeten zu vernichten. Merlin. Ich werde ihm das Rückgrat von den Rippen reißen.« Er geiferte und schlug die Zähne zusammen, als könnte er das Gemetzel kaum erwarten.
Jer straffte die Schultern. Er war sich bewusst, dass Eli und Eve Feuerbälle bereithielten und auf sein Zeichen warteten, sie auf den Dämon zu schleudern. Sie würden sehr viel stärkere Magie brauchen, falls Sir William sich auf die andere Seite schlug.
Sein Blick huschte zur Armee der Gegner hinüber. Als wollte sie ihren Augen nicht trauen, hob Catherine die schweren schwarzen Schleier vor ihrem Gesicht. Im Dunkeln konnte er ihr Gesicht nicht sehen, und er hatte das Gefühl, dass das auch besser war.
»Ich habe deinen Vater verabscheut. Ich verabscheue deine Familie. Die Deveraux sind den Moores seit Jahrhunderten eine Plage.« Sir William richtete sich auf den muskulösen Hinterbeinen auf, die denen eines Schlachtrosses ähnelten. Hoch ragte er über Jer, seinem Bruder und seiner Cousine auf. Schwefel und Qualm verpesteten die Luft. »Doch Merlin hasse ich noch mehr.« Die Stimme des Dämons troff vor Abscheu und Bösartigkeit. »Ich weiß, was er ist. Was er dieser Welt antun kann. Und das würde euch nicht gefallen.«
»Dann werdet Ihr auf unserer Seite kämpfen«, vergewisserte sich Jer.
Der Dämon senkte den Kopf. »Ja, das werde ich.« Ein mächtiges, vieldeutiges Lächeln breitete sich über sein Gesicht. »Heute.«
»Merci bien«, sagte Jer.
»Ich werde es mit euren Feinden aufnehmen, aber werdet nicht übermütig. Mehr als ein Mann mag ich sein, doch auch ich bin nur ein Krieger.«
»Wir sind dankbar für Eure Hilfe, Sir William«, erklärte Eve mit fester Stimme.
»Eine Deveraux-Meuchlerin, dankbar«, schnaubte der Dämon. Er warf Jer einen strengen Blick zu. »Caspar, Balthasar und Melchior haben der Welt einen großen Dienst erwiesen, als sie Merlin einschlossen. Wenn es euch nicht gelingt, ihn wieder in die Kristallhöhle zu bannen, ist alles verloren. Er wird eure Welt in Stücke schlagen. Unsere Welt. Es muss euch jetzt gelingen, ihn zu besiegen.«
»Das haben wir vor«, erklärte Jer kühn.
Wenn wir nur wüssten, wie.
Dreizehn
Thymian
Grauen erfüllt die finstersten Herzen
Wir trennen uns unter Tränen und Schmerzen
Wie es einst war, wird es wieder sein
Nur der Tod kann uns wahrhaft befreien
So viele sind rings um uns gefallen
Wir riechen Blut und Feuer und Qualen
Es klaffen Wunden, Herzen gehen entzwei
Und nun ist es endlich, endlich vorbei
In der Ewigkeit
Es gibt einen Augenblick nach dem Tod, der einen Scheideweg darstellt. Seelen können sich vermischen und wieder vereinen - oder auf ewig getrennt werden. Das Schicksal wirft die Runen, und Herzen werden geheilt oder zerrissen. Was neigt die Waage zu unseren Gunsten? Ist es Barmherzigkeit, Gnade oder Gerechtigkeit - die Namen der drei strahlendsten Engel?
Oder ist es Liebe, der Name des Einen Wahrhaftigen Wesens?
Vor der Ruine von Schloss Cahors, Frankreich
Jer starrte die Streitkräfte an, die sich gegen sie verbündet hatten, und riss
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