Hexenblut
legte Pablo eine Hand auf die magere Schulter. Ich lasse dich nicht allein hier. Vielleicht behältst du besser für dich, weshalb ich weggegangen bin.
Ich weiß. Du hast recht.
Armand wandte sich ab, schuf sich ein Loch in den Bannen um das Lager und schlüpfte in die Nacht hinaus. Sobald er außer Hörweite war, schlug er alle Bedenken in den Wind und rannte los. Je weiter er sich vom Lager entfernte, desto stärker empfand er eine gewisse Dringlichkeit.
Als er ein kleines Dorf erreichte, führten seine Schritte ihn darum herum zu einem abgelegenen Häuschen weit außerhalb der Ortschaft. Gracias, Pablo.
Er hielt keuchend an, um einen Moment zu verschnaufen. Dann ging er langsam auf die Haustür zu und war nur milde überrascht, sie offen vorzufinden. Drinnen konnte er durch den Flur in ein Zimmer schauen, wo ein alter Mann an einem Tisch saß. Darauf standen zwei Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit, und eine einzelne Kerze spendete Licht. Der Mann war hager, hatte einen langen Bart, und er trug einen verwaschenen Pullover und eine braune Hose. Darunter war er barfuß.
»Ich habe auf dich gewartet, junger Mann«, sagte er auf Französisch.
»Jacob«, flüsterte Armand, betrat das Haus und schloss die Tür hinter sich. »Woher wusstest du ...?«
Der alte Mann kicherte. »Ich bin ein Prophet, weißt du nicht mehr? Oder hast du auch das vergessen?«
»Auch das?«, fragte Armand und setzte sich an den Tisch.
»Du warst noch ein kleiner Junge, als wir uns begegnet sind, aber ich habe dir versprochen, dass wir uns wiedersehen würden. Man könnte sagen, dass wir noch etwas zu klären haben. Der Tee ist für dich.«
Während Armand an seinem Becher nippte, staunte er darüber, dass Jacob sie mit ein paar einfachen Worten scheinbar in die Vergangenheit zurückversetzt hatte. Armand war wieder das Kind mit den großen Augen, begierig darauf zu lernen, Fragen zu stellen und sich die Zukunft vorhersagen zu lassen.
»Warum hast du dich dafür entschieden, sowohl dem Gott der Hebräer als auch der Göttin zu folgen?«, fragte der alte Mann und starrte ihn aufmerksam an.
»Ich hatte das Gefühl, dass es da draußen noch mehr geben müsse. Ich wollte so viel wissen und lernen, wie ich konnte.«
»Warum bist du dann nicht auch Buddhist geworden?«
Armand spürte, wie er errötete. »Ich habe wohl das gefunden, was mich angesprochen hat, und ...«
»Und du hast nicht das Bedürfnis verspürt, deine Suche fortzuführen.«
»Wohl nicht, nein«, gestand Armand.
»Dir gefällt das Mystische, das Übernatürliche.«
Das war eine Feststellung, keine Frage. Armand senkte stumm den Blick auf seinen Becher und befürchtete, gleich gescholten zu werden.
»Du hattest das Pech, zu einer Zeit in die Kirche eingeführt zu werden, als solche Dinge missbilligt und abgetan wurden.«
»Ja«, gab Armand ihm recht.
»Du hättest einen sehr guten Exorzisten abgegeben, oder einen Heiler. Aber in unserer technologisierten Welt ist kaum Platz für Glauben, geschweige denn für Wunder.«
»Das habe ich mir auch schon oft gedacht«, sagte Armand.
»Natürlich, deshalb hast du dich ja auf die Suche nach etwas Aufregenderem gemacht.« Er lächelte, und seine müden Lider warfen Fältchen wie kleine Raffgardinen.
Armand öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Jacob winkte ab. »Du hast keine Möglichkeit gesehen, in der Kirche du selbst zu sein, also hast du sie verlassen. Das ergeht vielen so.«
»Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst«, sagte Armand.
Jacob trank einen Schluck Tee und spähte unter halb gesenkten Wimpern hervor. »Du hast Schwierigkeiten mit Dämonen, nicht?«
»Oui.«
»Und sie werden schlimmer, seit du dich dazu bekannt hast, sie verbannen zu können, richtig?«
Armand nickte.
»Dann solltest du wissen, dass es noch schlimmer werden wird. Bald kommt der Dunkle Herrscher, um die Erde zu vernichten. Die Dämonen spüren das ebenfalls, und es macht sie dreister und ängstlicher zugleich.«
»Du meinst, Satan wird kommen?« Als Armand den Namen aussprach, gefror der Tee in seiner Tasse zu Eis.
Jacob starrte ihn lange finster an, ehe er ihm ein schmales Lächeln schenkte. »Du fragst nicht nach einer Erklärung - du fragst mich, was du glauben sollst. Das ist, wie immer, deine Entscheidung. Aber, nein, der Dunkle Herrscher ist nicht Satan. Er trägt viele Namen, doch dieser gehört nicht dazu.«
Jacob berührte Armands Tasse, und das Eis verwandelte sich wieder in dampfenden Tee.
»Ich weiß nicht,
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