Hexenblut
und das Rauschen.
»Sei ganz still. Lausche nach dem Geräusch, das nicht dazugehört«, wies er sie an und ließ eine Hand an ihrer Wange ruhen. »Lausche nach Unordnung. Einem Ungleichgewicht.«
Sie atmeten im Einklang, und Holly lauschte.
Allmählich gelang es ihr, sich wie kreisend durch die unterschiedlichen Geräusche zu bewegen. Maeve und Stanislaus waren wach und liebten sich. Holly wand sich und wünschte, sie könnte diese Laute wieder aus ihrem Gehirn löschen. In einem anderen Teil der Höhle betete Janet zur Göttin um Kraft, doch wozu, erfuhr Holly nicht. In der Ferne heulte ein Hund.
»Du bist dicht dran«, flüsterte Pablo. »Ich fühle es auch.«
Schließlich hörte sie es, und ihr war augenblicklich klar, dass sie das Geräusch gefunden hatte, das nicht dazugehörte: Irgendwo in der Dunkelheit betete ein Mann zum Gehörnten Gott.
Der Tempel der Luft betete ihn nicht an. Er war ihr Feind.
Holly sprang mit einem Schrei auf die Füße. Pablo stand ebenfalls auf, und gemeinsam rannten sie in die Richtung, aus der sie das Gebet gehört hatten.
»Alarm! Verräter!«, schrie Holly. »Ein Hexer!«
Eine unsichtbare Woge purer Bösartigkeit schlug ihr entgegen und schleuderte sie zu Boden. Neben ihr keuchte Pablo auf und fiel ebenfalls um.
»Wo, Holly?«, brüllte Alex. Männer und Frauen rappelten sich auf, griffen nach Waffen, murmelten Zaubersprüche. Alex' Haar war zerzaust, als hätte er geschlafen. Er packte sie bei der Hand und half ihr auf.
Pablo sah sie an, und sie blickte sich in der Höhle um, in der sich der Coven für den Kampf bereitmachte.
»Wo ist Armand?«, fragte sie. »Armand wird mit den Dämonen fertig. Wenn ein Hexer betet, werden Dämonen ihn erhören.« Sie starrte in die Dunkelheit und beschwor einen Feuerball. »Hat jemand Armand gesehen?«
»Wo ist der Hexer?«, wiederholte Alex und rüttelte sie beinahe vor Drängen. Den anderen schrie er zu: »Auffächern!«
»Dämonen«, flüsterte sie. Die Gruppe nahm ihre Angriffsformation ein. Holly geriet in Panik.
So viele Monate waren sie mit Alex herumgereist. Jeder feindliche Coven, den sie angegriffen hatten, war schwach gewesen und ziemlich leicht zu besiegen. Jeder Dämon, dem sie begegnet waren, hatte seine Energie ganz auf Armand gerichtet. Deshalb hatte sich in ihr die seltsame Überzeugung festgesetzt, dass Dämonen sein Spezialgebiet waren, seine Verantwortung.
Sei ehrlich, Holly. Nach dem, was sie dir angetan haben, hast du immer noch Angst vor ihnen.
Sie verzog das Gesicht und versuchte, diese innere Stimme zum Schweigen zu bringen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Erinnerung an das geflüsterte Gebet. Derjenige, der da geflüstert hatte, war ein Hexer aus Fleisch und Blut, und vor denen fürchtete sie sich nicht. Sie hob die Hände und machte sich kampfbereit.
»Dann los«, sagte sie zu Alex.
Er grinste sie an. »Auf geht's.«
London: Anne-Louise und Rose
Anne-Louise hatte Rose, die ihr Haus in London dem Mutterzirkel als Unterschlupf zur Verfügung stellte, noch nie gemocht. Diese Frau verfolgte mit fast allem, was sie tat, ihre eigenen geheimen Zwecke. Rose hatte jedoch gute Verbindungen, und auf ihren beinahe paranoiden Argwohn konnte man sich verlassen. Deshalb fuhr Anne-Louise vom Flughafen Heathrow direkt zu ihrem Haus.
Der Mutterzirkel selbst war nach der Zerstörung des feindlichen Hauptquartiers in Aufruhr. Das überraschte Anne-Louise nicht. Sie hegte schon länger den Verdacht, dass ihre Hohepriesterin Luna einen Großangriff auf den Obersten Zirkel aus irgendwelchen Gründen bisher vermieden hatte. Das war eigentlich unverständlich. Wenn der Oberste Zirkel für alles stand, was der Mutterzirkel bekämpfte, weshalb dann diese Koexistenz in offener, aber letztlich folgenloser Feindschaft?
Irgendein übergeordneter Plan steckte hinter alledem, und Anne-Louise war entschlossen, ihn aufzudecken. Sie war nicht einmal sicher, ob man nur sie wegen ihres Alters, ihrer Fähigkeiten oder ihres Ranges im Dunkeln ließ oder ob alle ihre Hexenschwestern und -brüder absichtlich belogen wurden.
Nach dem Kampf im Park war sie noch zwei Tage lang in Mumbai geblieben und hatte nach irgendeiner Spur von Philippe oder Eli gesucht. Und nach ihren Leichen. Sie trauerte um Philippe. Eli war ein Deveraux, also hoffte sie, dass er tot war.
Doch sie hatte nichts gefunden und sich schließlich dafür entschieden abzureisen. Sie wollte die Suche nach den Mädchen fortsetzen.
»Sei gesegnet«, hauchte Rose,
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