Hexenblut
als Anne-Louise ihr Haus betrat.
»Sei gesegnet«, murmelte Anne-Louise.
Ein paar Minuten später saßen die beiden Frauen auf dem Sofa, jede mit einer Tasse Tee in der Hand. Anne- Louise nippte dankbar an dem heißen Gebräu. Richtig guten Tee zu bereiten war eine Kunst für sich, und die Briten hatten sie jahrhundertelang perfektioniert.
»Nicht, dass ich mich über deinen Besuch nicht freuen würde, aber - weshalb bist du hier?«, fragte Rose schließlich.
Anne-Louise zog eine Augenbraue hoch. »Kannst du das nicht erraten?«
Die andere Frau erbleichte, und in Anne-Louises Kopf schrillte eine Alarmglocke. Rose hatte irgendetwas getan, etwas, das der Mutterzirkel nicht erfahren sollte.
Anne-Louise war selbst alles andere als zufrieden mit dem Mutterzirkel, aber sie konnte das nicht einfach durchgehen lassen. Wenn sie etwas gegen Rose in der Hand hätte, würde es zumindest sehr viel einfacher werden, ihre Hilfe einzufordern. Anne-Louise hatte oft genug den verlängerten Arm des Mutterzirkels gespielt, wie damals, als man sie zu Holly geschickt hatte.
Sie lächelte kalt und starrte ihr Gegenüber durchdringend an. »Wie wäre es also, wenn du mir deine Version schilderst«, sagte sie.
Das war eine geschickte Eröffnung. So musste Rose selbst entscheiden, wie viel Anne-Louise ihrer Meinung nach wissen konnte, und diese Schätzung würde wahrscheinlich sehr großzügig ausfallen.
»Ich habe nur nach Sasha gesucht, das schwöre ich«, platzte Rose heraus.
Anne-Louise blinzelte und befahl Rose stumm weiterzuerzählen. Sie hatte keine Ahnung davon gehabt, dass Sasha verschwunden war. Niemand hatte ihr etwas gesagt. Vielleicht war es auch noch niemandem sonst aufgefallen.
Es ist, als hätte sich jeder, der eng mit Holly verbunden ist, einfach ... in Luft aufgelöst.
»Dr. Frankenstein hat nach Kari gesucht, und wir sind uns sozusagen im Internet über den Weg gelaufen.«
»Wie lautet sein richtiger Name?«, fragte Anne-Louise.
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er Professor an der Universität in Seattle ist.«
»Weiter«, befahl Anne-Louise.
»Anfangs war er ziemlich zugeknöpft, aber er wusste alles über Hexen, und er wusste, in was Kari da hineingeraten war. Ich habe ihm gesagt, sie sei tot, und da hat er erklärt, das sei kein Problem.« Sie holte tief Luft, als müsste sie sich überwinden fortzufahren.
Anne-Louise schwieg, und Rose erzählte stockend weiter. »Ich... habe mir Unterstützung besorgt, und wir haben ihren Leichnam geborgen, konserviert und zu ihm nach Amerika geschickt.« Danach war Schluss mit den Geständnissen, als hätte Rose den Kopf eingezogen, weil sie einen Schlag von Anne-Louise erwartete. »Er hatte vor, sie wieder zum Leben zu erwecken.«
Anne-Louise war schockiert. Sie wusste von keinerlei Magie, die so etwas bewirken konnte.
»Wie?«, fragte Anne-Louise. Wenn der Mann als Dr. Frankenstein bekannt war, bewerkstelligte er so etwas wahrscheinlich gar nicht auf magische Weise.
»Ich weiß es nicht. Es war ausgemacht, dass er es mir sagt, wenn es ihm gelingt. Aber ich habe nichts mehr von ihm gehört.« Sie schluckte schwer. »Ich nehme an, das war naiv von mir.«
Anne-Louise blieb einen Moment lang still sitzen und musterte Rose. Dann nippte sie an ihrem Tee, ehe sie sich wieder an ihr Gegenüber wandte.
»Du nimmst an, dass das naiv war?«, fragte sie barsch. »Ist dir klar, was du getan hast?«
»Ja. Ich habe nicht nur einem Außenstehenden unsere Existenz enthüllt, sondern meine Magie auch rücksichtslos zu meinen eigenen Zwecken benutzt und damit meinen Eid gebrochen.« Ihre Stimme wurde immer leiser. »Weil ich... weil ich mehr will als das hier.«
Anne-Louise blickte sich um. Das Haus gehörte dem Mutterzirkel, und Rose leitete es und durfte dafür umsonst hier wohnen. Wenn der Zirkel erfuhr, was sie getan hatte, würde sie diese Stellung ganz sicher verlieren.
»W-was geschieht jetzt mit mir?«, fragte Rose.
»In Anbetracht der zahlreichen Verluste und der Umwälzungen in London werden wir dir vorerst gestatten hierzubleiben«, antwortete Anne-Louise.
Rose kniff die Augen zu. »Danke.«
»Danke mir nicht. Dir muss klar sein, dass dieses Übel dreifach auf dich zurückfallen wird. Das dürfte dann Strafe genug sein.«
Rose senkte ergeben den Kopf.
»Aber was du getan hast, muss rückgängig gemacht werden. Ich brauche die Haare von Kari und den übrigen Mitgliedern ihres Zirkels. Alle.«
»Natürlich«, nuschelte Rose und eilte hinaus. Gleich
Weitere Kostenlose Bücher