Hexenblut
Verliese führten. In ganz Frankreich waren sie als Bastionen unvorstellbarer Grausamkeit berüchtigt. Wehe dem, der einem Deveraux in die Quere kommt, hieß es, und das stimmte. Es war klug von den Cahors, ihr Schicksal mit dem der Deveraux zu verbinden, nun, da sie wussten, dass die Deveraux das Schwarze Feuer beschwören konnten. Schließlich wollten sie nicht riskieren, dass die Hexer es gegen sie einsetzten.
Wie zu jener Zeit üblich, standen Isabeau und Jean vor der geschlossenen Tür der Kapelle. Geheiratet wurde vor der Kirchentür - daher empfand der Bischof es nicht als Affront, dass sie die Kirche nicht betraten. In dieser Blutmond-Nacht standen die beiden einander vor üppigem Blumenschmuck aus Lilien und Efeuranken gegenüber. Lilien waren die Blumen der Cahors, Efeu die Pflanze der Deveraux. Die magischen Vögel Fantasme und Pandion, Hexentiere der Deveraux beziehungsweise der Cahors, hockten stolz auf ihren prachtvoll verzierten Sitzstangen. Wenn man sie losließe, würden sie einander töten.
Isabeau erinnerte an ein Drachenweibchen. Wie es einer so mächtigen Dame zustand, die gleich noch mehr Macht erlangen würde, trug sie ein elfenbeinfarbenes, silbergewirktes Gewand. Doch sie zitterte wie eine schüchterne Jungfrau, und im Licht des Vollmonds sah er, wie bleich sie unter ihrem schwarz-silbernen Schleier war.
Wie lange wirst du meine Fürstin sein?, fragte er sich im Stillen. Wie viel Zeit bleibt uns, bis die Fehde unserer Häuser wieder ausbricht und ich dich vergifte oder köpfe oder dich auf dem Scheiterhaufen verbrennen lasse?
In diesem Moment blickte sie mit hart glitzerndem Augen zu ihm auf. Sie blinzelte nicht und erwiderte seinen Blick unerschrocken. Ihre Augen leuchteten hellblau. Die Luft zwischen ihnen summte vor Spannung. Er war hocherfreut: Diese Dame besaß Rückgrat, beim Gehörnten! Er würde wohl auf sich aufpassen müssen, damit sie nicht am Ende ihn ermordete.
Er lachte leise und kehlig und wandte seine Aufmerksamkeit dann seinem Vater zu.
Während die beiden Häuser gemeinsam in Latein und noch älteren Sprachen sangen, hielt Laurent seinen Athame bereit, um dem Brautpaar die Haut an den Handgelenken aufzuschlitzen. Sein Gesicht war unter der Kapuze seines dunkelroten Gewandes verborgen, und er ragte wie eine finstere Statue vor dem Altar auf. Isabeaus Mutter Catherine trug Schwarz und Silber.
Der Versammlung bot sich ein prächtiger Anblick, und Macht und Leidenschaft flammten zwischen den jungen Brautleuten auf, als sie aneinander gebunden wurden, an Leib und Seele, bis ans Ende ihrer Tage. Der Dolch ritzte ihre Pulsadern auf, und Blut vereinte sich mit Blut zu einem Fleisch, während Laurent und Catherine die linken Unterarme ihrer Kinder zusammenbanden. Die Schnüre waren mit Kräutern und Tinkturen getränkt, die für Fruchtbarkeit sorgen sollten. Beide Häuser waren stark und rühmten sich zahlreicher Nachkommen, doch die Angehörigen der Coven waren zu weit über das Land verstreut, und in beiden Familien konnte es in Frankreich gar nicht genug Hexen und Hexer geben.
Dann wurde Jean von der Teufelshexe selbst berührt - Catherine. Diese Frau würde seine Familie massakrieren und die Blutfehde in Gang setzen, die Isabeau und ihn durch Zeit und Raum verfolgen sollte.
Ich habe die Möglichkeit, das zu verhindern, dachte er und spürte den Dolch, der plötzlich an einer Kette um seinen Hals hing. Wilde Magie hatte ihn dorthin gezaubert. Er war unter dem kostbaren Stoff seines Wamses verborgen, und die scharfe Klinge schnitt ihm Haare von der Brust. Den könnte ich ihr ins Herz stechen und es beenden, ehe es beginnt.
Er sah sich sein Wams aufreißen, den Dolch packen und Isabeau in die Brust rammen...
Nein , nicht Isabeau, protestierte er. Catherine ist es, die ich ermorden will.
Dann blinzelte er und erkannte, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Er war Jean und doch nicht Jean. Er blickte zu Duc Laurent, seinem Vater, auf und entdeckte eine Gestalt in weiter Ferne. Dort stand eine Frau, die er kannte, und sie weinte. Ihr Name war... Wie hieß sie nur?
Sasha?
Attends, warte, dachte er in plötzlicher Verwirrung. Meine Mutter... Meine Mutter ist tot.
»Ma mère?«, sprach er flüsternd zu sich selbst, nicht zu ihr.
Die Gäste wurden unruhig. Jean Deveraux' Mutter und Stiefmutter waren tot. Jeder wusste, dass der Herzog sie ermordet hatte, weil er ihrer überdrüssig geworden war.
Der Herzog selbst starrte ihn an, und Jean sträubten sich die Haare im
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