Hexenblut
Nacken. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht - und er glaubte, dass sein Vater wusste, was es war.
Donner grollte, Blitze zuckten über den Himmel, und die Flammen der Fackeln züngelten wie Kometenschweife. Isabeau packte seine Hand fester, und durch ihren Schleier sah er das Antlitz des Todes.
Er hörte seinen Vater lachen. Hörte ihn an seinem Ohr flüstern: »Ich werde dich lange überleben, Bürschchen. Dich und meinen anderen Prinzen und alle meine Bastarde. Ich habe den Lauf der Zeit verändert, unwiderruflich und für immer, gemeinsam mit meinen Dienern. Ich habe das Gleichgewicht gestört, und es wird sich nie wieder einpendeln. Chaos ist meine Domäne, und ich bin ihr Herr und Meister.«
Jean schwankte. Er hatte das Gefühl, sich in Äther aufzulösen. Was für ein Übel war hier am Werk?
»Mein Fürst?«, flüsterte Isabeau besorgt. Ihr Gesicht war ein weißer Schimmer hinter den dunklen Schatten ihrer Schleier. »Ist Euch nicht wohl?«
Je m'appelle Jeraud, dachte er. Ich heiße Jeraud.
Er wandte sich um und blickte zu der weinenden Frau hinaus. Wir gehören nicht hierher, dachte er.
Dann spürte er den Blick einer anderen, von oben. Er blickte zur Kirchturmspitze auf und entdeckte sie dort oben - Karienne, seine langjährige Mätresse. Wie geschlagen sie aussah, sogar ausgemergelt. Er hatte sie einem Edelmann zur Frau angeboten, damit sie in Zukunft gut versorgt sein würde. Sie sollte noch heute Nacht abreisen. Ihre Sachen waren gepackt, und sie hatten sich bereits voneinander verabschiedet. Im Bett.
Sie war hinreißend.
Sie heißt Kari. Sie ist Doktorandin. Beim Gehörnten Gott, ich habe sie umgebracht. Ich habe ihr die Kehle aufgeschlitzt! Und diese Frau da draußen ist meine Mutter, Sasha Deveraux.
Seine Knie gaben nach, und die Gäste schnappten erschrocken nach Luft.
»Jer?«, fragte Eve und beobachtete ihn. Er stand da wie erstarrt.
»Er hat den Lauf der Zeit verändert«, stieß Jer zitternd hervor. »Er spielt falsch.« Er umging das rutschige Steilstück, das er nicht hatte überqueren können, und entdeckte einen trockenen, felsigen Pfad zum Gipfel. »Komm. Wir müssen uns beeilen. Wir müssen ihn aufhalten.«
»Wen denn? Was ist?« Sie zögerte einen Moment lang, dann folgte sie ihm. »Eli?«
»Los, komm.« Donner grollte, und Blitze zuckten durch die Nacht. Jer krabbelte wie ein Wahnsinniger über die steilen Felsen. Er musste Holly aufhalten. Musste sie retten.
»Jer?« Eve konnte kaum mit ihm mithalten.
»Verdammt, mach schon. Vite!«, schrie er sie an.
Außerhalb von Mumbai:
Holly, Alex, Pablo, Armand und der Tempel der Luft
War das Jers Stimme, die von den schwarzen Bergen herunterhallte?
»Es ist bereits geschehen, meine Liebe«, sagte Alex zu Holly. Alex, der nun ihr Fürst war wie sie seine Fürstin, ihr Banngefährte, der ihr näherstand als jeder andere Mensch auf Erden. Näher...
Dann ergoss sich das Böse aus ihm und rauschte in ihre Seele, und sie wusste es. Er verseuchte sie damit.
Und sie war verdammt.
»Nein«, flüsterte sie und versuchte, vor ihm zurückzuweichen. Doch sein Blick hielt sie gefesselt. »Bitte.«
Aber sie war ihm hörig - dem Erzfeind der Cahors, dem Hexer, Abkömmling des Verlorenen Sohns des Lichts: einem Dämon, einem Teufel. Glanz flammte um ihn auf, er stand im Mittelpunkt einer Lichtkugel, die so weiß glitzerte, dass sie blau erschien. Dann veränderten sich die Farben und tanzten wie Nordlichter. Er war prachtvoll, und er war schrecklich.
Duc Laurent aus dem Hause Deveraux, vor vielen Jahrhunderten verstorben.
Sein Gesicht verwandelte sich. Schatten und scharfkantige Züge brachen durch die weiche Hülle, und sein Lächeln war auf einmal ein schmutziges, lüsternes Grinsen. Er legte eine Hand unter Hollys Kinn und ließ den Blick an ihrem Körper hinabgleiten. Sie war wie gelähmt und gezwungen, seine Berührung zu ertragen, und dann seinen Kuss.
Pablo! Armand!, flehte sie.
Schatten huschten vor dem Mond vorüber, und das Geschrei von tausend und abertausend Krähen schrillte ihr in den Ohren. Der Boden bebte, und sie wäre auf die Knie gefallen, wenn Alex - Laurent - nicht mit der Hand gewedelt und sie durch einen Zauber aufrecht gehalten hätte.
Dann hörte sie durch das Krächzen der Krähen Jer, der ihren Namen rief.
»Du bist an mich gebunden, meine hörige Fürstin«, sagte Laurent zu ihr. »Du kennst den Fluch: Wer eine Cahors-Hexe liebt, wird ertrinken. Er liebt dich.«
Nein, dachte sie. Nein.
»Er hat dich schon
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