Hexenbräute
den Kopf. Wir müssen es begreifen lernen.«
»Was hat sie mit uns vor?«
»Die Hexentaufe.«
»Wie...«
»Wir werden zu vollen Mitgliedern. Was du bisher erlebt hast, kannst du vergessen. In dieser Nacht werden wir durch sie unsere wahren Kräfte bekommen. Wir werden zu echten Hexen werden. Salem wird die Bedeutung bekommen, die es verdient.«
»Und was tun wir?«
»Was tun Hexen?«
Liz musste lachen. Sie wollte etwas sagen, doch Lilith kam ihr zuvor. Es war im ersten Moment unglaublich, doch Lilith schaffte es tatsächlich, sich aus der Umklammerung zu lösen. Sie verließ das Licht. Das Gesicht senkte sich nach unten. Ein Körper folgte. Vier Augen schauten gegen die gewaltigen Brüste, und zugleich strich über die nackten Körper ein eisiger Hauch hinweg, als hätte der Wind aus dem Nordpol einen Gruß geschickt.
Es war ein Wunder.
Es war unglaublich, aber es stimmte.
Der Geist einer uralten Macht drang in die Frauen ein, und sie hörten beide die von schrillen Tönen leicht überdeckte Stimme.
»Jetzt seid ihr mein. Mein in alle Ewigkeiten...«
Es war kalt geworden. Nicht kälter als vor Lilith’s Besuch, aber Liz Salem spürte, dass sie fror. In der Dunkelheit suchte sie auf dem Boden nach ihren Sachen. Sie wollte sie überstreifen, um nicht mehr so zu zittern. Das Gefühl hing wirklich nicht mit dem Besuch der Hexe zusammen. Es war einfach die normale Kälte, die für den Schauer gesorgt hatte.
Luft holen. Mit sich selbst zurechtkommen, als sie über den Boden kroch. Sie war zu einer anderen Person geworden, aber noch immer die Gleiche geblieben.
Liz wollte über dieses Phänomen nicht länger nachdenken. So etwas Profanes wie das Anziehen war jetzt wichtiger. Sie brauchte wirklich nicht lange zu suchen, denn bei ihr hatte sich ein Phänomen eingestellt, das sie auf keinen Fall hätte erwarten können.
Sie sah.
Ja, sie sah. Und das nicht nur im Hellen, sondern auch im Dunkeln. Jetzt im Dunkeln. Dafür hatte die neue Kraft der mächtigen Lilith gesorgt. Sie brauchte nicht nach ihrer Kleidung zu tasten. Sichtbar lag sie für sie auf dem Boden, und so konnte sie ein Teil nach dem anderen nehmen und es überstreifen.
Erst jetzt, wo sie sich mit den neuen Verhältnissen abgefunden hatte und sie sich wieder mehr auf sich und die Umgebung konzentrieren konnte, fiel ihr auf, dass sie sich allein in diesem alten Leichenhaus befand. Ihre Freundin war verschwunden.
Sie blickte sich noch mal um, weil sie sehen wollte, ob sie sich nicht getäuscht hatte.
Tatsächlich, der Raum war leer. Niemand hielt sich außer ihr noch zwischen den übel riechenden Wänden auf.
Wo konnte Abi stecken?
War sie abgehauen? Hatte sie ihre Freundin allein gelassen? Daran konnte und wollte Liz nicht glauben. Sie dachte daran, was vor der Begegnung mit Lilith zwischen ihnen beiden passiert war. Nein, da hatte sich ein Band gefestigt, das so leicht nicht reißen würde. Sie waren stärker zusammen als ein junges Ehepaar.
Dennoch beeilte sie sich mit dem Anziehen und lief auf die Tür der kleinen Halle zu.
Sie stand spaltbreit offen.
Liz wusste genau, dass sie nach dem Eintreten geschlossen worden war. Und Lilith war auch nicht durch die Tür gekommen. Es konnte bedeuten, dass ihre Freundin die Hütte verlassen hatte.
Liz zog die Tür weiter auf.
Sie schaute nach draußen. Sie sah den Honda in der Nähe. Sie hörte das leise Rascheln der frischen Blätter, die der Wind bewegte, und sie drehte ihren Kopf langsam nach links – und war erleichtert.
Abigail war nicht verschwunden.
Liz schaute auf ihren Rücken. Die Freundin hatte sich auf einem Baumstumpf niedergelassen und schaute den Weg entlang dorthin, wo es etwas heller war, weil die Bäume nicht mehr so dicht standen.
Liz lächelte. Es ging ihr wieder besser. Sie holte tief Luft und verließ das Haus endgültig. Sie gab sich keine Mühe, leise aufzutreten und hatte Abigail noch nicht erreicht, als sie angesprochen wurde.
»Na, wieder da?«
»Ja.«
Abigail rückte zur Seite. Es war Platz genug auf der flachen Fläche. »Ich habe dich nicht stören wollen. Du hast noch immer unter dem Eindruck gestanden...«
»Es war so herrlich.«
»Du sagst es.«
»Und ich kann im Dunkeln sehen«, flüsterte Liz. Sie legte eine Hand auf die Schulter ihrer Freundin.
»Das ist nur ein Phänomen!«
Liz wusste im ersten Moment nichts mit der Antwort anzufangen. »Was gibt es denn noch?«
»Wir haben auch andere Kräfte. Wir hatten schon welche, aber jetzt sind sie
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