Hexenerbe
Isabeau.
»Du bist feige.«
Holly schluckte.
»Deine Freunde werden sterben. Daran solltest du denken, verweichlichtes junges Ding. Schon in wenigen Augenblicken werden sie tot sein.«
»Nein«, flüsterte Holly.
»Dann ist alles verloren. Und meine Blutlinie wird aussterben. Endgültig.«
»Ihr seid Catherine«, stieß Holly hervor. »Isabeaus Mutter.«
Die Gestalt hob den verschleierten Kopf. »Die mächtigste Hexe, die je gelebt hat. Bis du geboren wurdest.«
Sie hob den Dolch und richtete ihn gegen Holly. »Du kannst alles retten. Doch du musst willens sein, die Hexe zu werden, als die du auf die Welt kamst.«
»Ich ... ich ...«
»Stammele nicht herum, Kind! Das ist beschämend für mich. Der Kampf ist gleich verloren. Sie sterben, sie sterben.«
»Dann helft ihnen!«, rief Holly. »Ich tue, was immer Ihr wollt! Ich - ich verspreche es.«
»Schwöre.« Catherine hielt ihr den Dolch hin. »Schwöre bei deinem eigenen Blut, das auch meines ist, Holly vom Coven der Cahors.«
Holly streckte die Hand aus und berührte den Dolch. Die scharfe Klinge ritzte ihr die Spitze des Zeigefingers auf. Drei Tropfen Blut fielen wie in Zeitlupe auf den Boden der eintönig schwarzen Szenerie ...
Und sie war wieder auf der Straße.
Zusammen mit den anderen.
Und sie war unverletzt.
Sie schnappte nach Luft. Neben ihr fragte Amanda: »Was ist, Holly?«
Da waren keine Dämonen. Keine Kobolde. Keine Portale. Alle waren heil und ganz. Die anderen Mitglieder ihres Zirkels standen im rieselnden Schnee und beobachteten verwundert, wie sie sich fassungslos einmal um sich selbst drehte.
»Wo sind die anderen?«, fragte sie. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. »Diese jungen Männer? Der Dunkelhaarige?«
Amanda wechselte Blicke mit Sasha und Silvana, die dicht bei ihr standen. Tommy trat vor Holly hin und wedelte ihr mit der Hand vor dem Gesicht herum. »Hallo? Alles klar?«
»Joel?«, rief sie.
Es schneite heftig. Der Wind pfiff um die Häuser. Andere Passanten gingen an ihnen vorbei, ohne den Coven zu bemerken, der mit Bannen geschützt und verborgen war.
»Okay, das ist jetzt sehr merkwürdig«, sagte Holly gedehnt.
»Ganz deiner Meinung«, ertönte eine Stimme, und eine Gestalt trat aus dem Schneetreiben auf sie zu.
Es war der dunkelhaarige junge Mann.
Er neigte den Kopf zur Seite und musterte Holly. »Es hat einen Kampf gegeben«, begann er. Er wies auf ihren Coven. »Und jetzt... gibt es plötzlich keinen mehr.«
Sie nickte, und Erleichterung durchflutete sie. Noch jemand wusste, was geschehen war.
Aus dem Schneegestöber erschienen drei weitere Männer. Einer war sehr jung und sah verunsichert und argwöhnisch aus. Die beiden anderen waren älter, einer sicher über vierzig. Holly erkannte sie - von dem Kampf gerade eben.
»Du hast ihn beendet«, fuhr der Mann fort. »Auf magische Weise.« Jetzt erst hatte sie die Zeit, seinen starken Akzent zu bemerken.
»Holly?«, fragte Amanda ein wenig zu laut. »Wovon spricht er da?«
»Ich habe ihn beendet«, stimmte Holly zu. Aber das hatte seinen Preis... nur was? Ein weiteres Leben? Was habe ich getan?
Sie wandte sich um und ging nach Norden.
Es kam kein seltsames Kribbeln, keine unerklärliche Angst, kein Gefühl drohender Gefahr.
»Es ist weg.« Sie sah den dunkelhaarigen Mann an, der sie aufmerksam beobachtete. »Wir sind hier in irgendetwas hineingelaufen und wurden angegriffen.«
Die Mitglieder ihres Covens starrten sie an. Aber immerhin war klar, dass der Mann sich ebenfalls an alles erinnern konnte, was geschehen war.
»Wir waren auf der Suche nach dir«, sagte er. Er griff in die Tasche seiner Jeans und holte die Blütenblätter einer verwelkten Lilie heraus. »Die hast du uns hinterlassen.«
»Ich...« Sie nahm die zerdrückte Lilienblüte und betrachtete sie genau. »Ich hatte eine Vision. Ich habe dich gesehen, aber ich war die ganze Zeit über... da, wo ich war.« Sie achtete darauf, den Unterschlupf bei Joel nicht zu erwähnen. »Wer seid ihr?«
Er sagte: »Wir dienen der Weißen Magie. Ich bin Philippe. Unser Anführer wurde von jenen getötet, gegen die ihr kämpft.«
Der Jüngste wirkte kummervoll. »Er war mein Bruder. José Luis«, fügte er leise hinzu.
»Getötet?« Holly wies mit einer vagen Geste auf die leere Straße. »Aber die Schlacht ist... verschwunden.«
»Das war ein anderer Kampf«, erklärte der älteste der Männer. »Es gab schon so viele.«
»Wem dient ihr?«, fragte Philippe und sah Holly fest in die Augen. »Wem seid
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