Hexenerbe
Fenster herein. Hunderte der kleinen, geschuppten Kreaturen schnatterten und kicherten, kletterten über die Glassplitter und schienen es nicht einmal zu bemerken, wenn sie sich selbst dabei verletzten. Manche verloren Gliedmaßen, andere Klauenfinger, und noch immer plapperten und keckerten sie. Sie ließen sich vom Fenstersims zu Boden fallen und krabbelten wie Kakerlaken oder Ratten auf Dan und Cecile zu.
Da sandte Cecile eine geistige Botschaft aus: Holly, hilf uns! Wir werden überrannt!
Sie hatte keine Ahnung, ob das Mädchen sie hören konnte.
Doch Dan blickte sich zu ihr um und sagte: »Ja. Gut gemacht, Cecile.«
Sie spürte seine magische Schwingung, als er in nächsten Ruf mit einstimmte.
Hilfe, Holly!
Rette uns!
Sie haben uns aufgespürt!
Der Dreifache Zirkel: London, in der Julnacht
Endlich konnte das Julfest beginnen. Sasha betrachtete lächelnd die zwei Paare, die sich bereit erklärt hatten, Fürst und Fürstin zu werden - das bedeutete, dass sie einander in Bann ziehen und ihre magische Macht um ein Vielfaches steigern würden. Als Priesterin des Mutterzirkels war sie in der Lage, die Zeremonie durchzuführen, und sie wusste, dass ihre Gefährten zusätzliche Macht jetzt mehr brauchten denn je. Die Kräfte des Obersten Zirkels versammelten sich um sie, und sie wusste aus tiefstem Herzen, dass sie nicht mehr lange sicher sein würden.
Also stand sie in der Vollmondnacht vor dem Portal von Westminster Abbey. Die beiden Paare waren mit Seilen, die sie in Kräuteröl getränkt hatte, an den Handgelenken aneinandergebunden, und Sasha machte sich bereit, ihre Handflächen aufzuritzen, damit sich ihr Blut vermischen konnte.
Nicole und Philippe waren eines der Paare, was sie nicht überraschte. Doch das zweite Paar hatte ihr ein Lächeln der Sehnsucht nach verflossenen Zeiten der unschuldigen Liebe entlockt: Tommy Nagai hatte Amanda seine Liebe erklärt, und Amanda erwiderte offenbar seine Gefühle.
Das Leben steckt voller Überraschungen, sagte sie sich. Und viele von ihnen sind lieblich und charmant.
Doch wie im Leben, so auch im Ritual: Sie hatte angenommen, dass Jeraud bereit sei, sich an Holly binden zu lassen, und er hatte sich geweigert.
»Mein Blut ist verdorben«, hatte er seiner Mutter gesagt. »Ich bin ein Deveraux.«
Das war ja der springende Punkt, hatte Sasha ihm zu erklären versucht. Er war ein Deveraux.
Aschfahl hatte Holly den Tiefschlag so gut wie möglich weggesteckt. Aber ganz offensichtlich war sie nicht darauf vorbereitet gewesen, dass er sie zurückweisen und die intimste Verbindung, die eine Hexe und ein Hexer eingehen konnten, ablehnen würde. Sie liebte Jer, so einfach war das. Und sie war davon ausgegangen, dass er damit einverstanden sein würde, sie in seinen Bann zu nehmen. Immerhin hatte sie viel riskiert, um ihn zu retten - den Zorn des Mutterzirkels, ihr eigenes Leben und das Leben anderer, die sie liebte.
Doch Jer erklärte seine Zurückweisung nur mit den Worten: »Ich bin ein Deveraux.«
Also stand Holly nun neben Sasha als deren Assistentin, während diese die Seile um die Handgelenke der beiden Paare schlang. Nicole und Philippe waren von Leidenschaft erfüllt - Sasha konnte sie spüren. Amanda und Tommy hingegen waren einander noch so neu, dass sie schüchterner, beinahe kindlich miteinander umgingen.
»Nach dem Willen der Göttin sollt ihr einander in allen Gefahren beistehen«, verkündete Sasha. »Durch ihre Gnade sollt ihr einander Kraft verleihen, die Fürstin dem Fürsten, der Fürst seiner Fürstin.«
»Seid gesegnet«, murmelten die anderen. Alonzo segnete sie mit dem Kreuzzeichen, während Sasha Eichenlaub in Wasser tauchte und sie damit besprengte.
»Der Fürst möge magischen Segen und Kraft von der Fürstin erhalten und die Fürstin von ihm.«
»Seid gesegnet.«
Holly schluckte gegen Tränen an, als sie Jer im Schatten stehen sah, wo die Mondgöttin ihn nicht erreichen konnte. Sein vernarbtes Gesicht war vor Hollys Blick verborgen, doch sie hatte sich jede entstellende Narbe eingeprägt. Tief im Herzen verstand sie, weshalb er sich geweigert hatte, diese Verbindung mit ihr einzugehen, und trotzdem brach eben dieses Herz dabei.
Wir sind an der Reihe. Sie sandte ihm diesen Gedanken.
Doch sie war sich auch der Gefahr bewusst - was, wenn Isabeau Besitz von ihr ergriff und Jeans Tod forderte? Was, wenn Jean Rache übte?
Trotz alledem war ihre Sehnsucht nach ihm unerträglich.
Jer, ich würde für dich sterben. Ich würde all die anderen
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