Hexenfluch: Roman (German Edition)
Brennen begann sofort. Unwillkürlich zog Kristen die Schultern hoch und biss die Zähne zusammen, machte aber weiter. Im Spiegel begegnete er Mikahs Blick. Ärger stand in den goldenen Wandleraugen. Und etwas, das beinah … Sorge sein konnte. Kristen umklammerte den Waschbeckenrand fester. Er musste nicht nur zusehen, dass Ella aus L.A. verschwand, sondern auch Mikah.
»Soll ich …«, der Junge gestikulierte, »… den Rücken?«
Natürlich. Der Kleine hatte ja direkte Sicht auf die Schäden, die sie dort angerichtet hatte. Und einen großen Teil der Krallenschnitte dort hinten würde er beim besten Willen nicht erreichen können. Mit einem knappen Nicken schob er den Tiegel ein wenig in Mikahs Richtung und machte ihm ein bisschen Platz, vorsichtig darauf bedacht, seinen Halt am Waschbecken nicht zu verlieren. Ohne ihn würden seine Beine ihn vermutlich keine Sekunde länger tragen. Die Stellen, an denen er die Paste bereits aufgetragen hatte, fühlten sich jetzt schon an, als würde jemand ein weißglühendes Folterwerkzeug hineindrücken.
Mikah legte das Handtuch auf die Bank zurück, tunkte seinerseits die Finger in die Paste und trat hinter Kristen.
»Nur ganz dünn.« Bei einer dickeren Schicht würde er sich binnen Sekunden schreiend am Boden krümmen.
Der Junge nickte steif.
Trotzdem ließ der erste Kontakt ihn keuchen und unwillkürlich in die Knie gehen. Hatte sie ihm den Rücken bis auf die Knochen aufgeschnitten? Seine Finger umklammerten den Waschbeckenrand härter, während er versuchte, gegen den Schmerz zu atmen. Nur mit Mühe unterdrückte er den gequälten Laut, der in seiner Kehle emporstieg.
Hinter ihm murmelte Mikah eine Entschuldigung. Kristen schüttelte den Kopf. »Mach weiter.«
Bei der nächsten Berührung konnte er spüren, wie die Hand des Jungen zitterte. Er vermied es, noch einmal in den Spiegel zu sehen, während er selbst ein weiteres Mal von der Paste nahm und sich einem Schnitt an seinem Oberschenkel zuwandte.
Er zählte nicht, wie oft er in den nächsten Minuten immer wieder abrupt den Rücken durchbog, wenn seine Selbstbeherrschung für eine Sekunde versagte, weil sein Körper dem Schmerz nur noch entkommen wollte, und Mikah erschrocken innehielt und eine weitere Entschuldigung murmelte. Doch auch als es endlich vorbei war, brauchte er eine gefühlte Ewigkeit, bis er wieder halbwegs vernünftig atmen konnte. Und es dauerte noch länger, bis er schließlich den Waschbeckenrand loslassen konnte und einen Schritt zurücktrat.
»Danke.« Kristen wies auf den Wasserhahn. »Wasch dir das Zeug von den Händen. Du willst es nicht in irgendwelchen Kratzern haben. Oder es dir versehentlich in die Augen reiben.«
Mikah nickte wortlos. Erst als er das Wasser wieder abgedreht hatte, sah er Kristen erneut an – und räusperte sich. »Alexander wartet unten.« Der Junge klang, als wäre dieser Umstand seine Schuld.
»Aha.« Kristen griff nur scheinbar gelassen nach einem Handtuch, um sich seinerseits die Hände abzutrocknen. »Weißt du, was er will?«
»Nein.« Mikah schüttelte den Kopf. »Aber er war schon bei ihr, als sie mich zu sich gerufen hat. Sie hat ihn mit mir hergeschickt.« Der Junge wischte übertrieben gründlich einen Wassertropfen vom Waschbeckenrand.
Kristen nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis. Das bedeutete, Aaron wusste mit ziemlicher Sicherheit, was Lyresha von ihm wollte. In geheucheltem Spott hob er eine Braue. »Dann wäre es unhöflich, wenn wir den guten Aaron noch länger warten lassen, nicht wahr?« Mit einer kleinen Kopfbewegung wies er zur Badezimmertür. »Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst.«
Der Junge zögerte, rieb sein Ohrläppchen zwischen den Fingern. »Soll ich nicht doch noch bleiben? Vielleicht … ich meine … vielleicht kann ich ja noch etwas tun?«
Kristen verbiss sich das bittere Auflachen in letzter Sekunde.
»Du musst mich nicht vor Aaron beschützen.« Eine knappe Geste verhinderte Mikahs Protest. Er musterte den Jungen eindringlich, während er nach einem frischen Handtuch griff und es sich um die Hüfte schlang. »Aber du kannst etwas anderes tun.« Die Paste begann zu wirken. Die Bewegungen schmerzten kaum noch. In ein paar Minuten würde er gar nichts mehr spüren. »Sollte die Macht, mit der sie dich zum Bleiben zwingt, jemals auch nur eine Sekunde nachlassen, dann zerbrich den Ring an deinem Knöchel und verschwinde von hier, so schnell du kannst. – Und komm niemals wieder auch nur in die Nähe dieses
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