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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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durchgetretenen Lederstiefel aus und hielt ihn Amicus vor die Nase. »Guten Appetit!«
    Knurrend schob Amicus den Schuh beiseite. »Wir sollten den Gaul endlich verkaufen.«
    »Hütet Euch!«, drohte Jeanne mit erhobenem Zeigefinger.
    »Giacomo bleibt bei uns«, sagte Raphael. »Ohne ihn wären wir längst tot.«
    »Oder satt«, erwiderte Amicus.
    »Die Entscheidung steht unwiderruflich fest«, sagte Raphael. Er schob ein Stück Brot in den Mund. Widerwillig kaute er darauf herum.
    Amicus zuckte mit den Schultern. »Ich kann warten. In drei Wochen verkauft Ihr das Ross für ein gebratenes Hühnchen und einen Krug Wein.«
    Jeanne wollte gerade etwas entgegnen, da kam Luna ihr zuvor: »Wir dürfen Giacomo zwar nicht verkaufen, aber Amicus hat Recht. Wir brauchen Nahrung und neue Kleider. Dazu einen sicheren Platz, damit wir ruhen und Kraft schöpfen können. Reisen wir weiter ziellos umher, gehen wir zugrunde.«
    »Eben«, stimmte Pierre zu. »Jetzt, da Imbert tot ist und unsere Verfolger scheinbar aufgegeben haben, ist unsere Lage besser als jemals zuvor. Suchen wir einen ruhigen Ort auf und planen dort unsere nächsten Schritte.«
    Stumm holte Raphael den Fetzen Haut hervor, auf dem das Idolum zu sehen war. Er hatte es von Blut und Schmutz gereinigt und einen Tag lang in der Sonne gerben lassen. Nun war es von brauner Färbung, auf dem die schwarze Zeichnung noch gut zu erkennen war. Er glaubte keineswegs daran, dass sie nach Imberts Tod außer Gefahr waren. Es passte nicht zu Henri le Brasse, dass er von ihnen abließ. Der Prior barg ein Geheimnis, das er um jeden Preis verteidigen würde. Ein Geheimnis, das Henri – und vermutlich andere – den Kopf kosten könnte, würde es entdeckt. Diese Überlegungen behielt Raphael jedoch für sich. Stattdessen sagte er: »Ein sicheres Domizil kostet Geld. Wie sollen wir an so viel Geld gelangen?«
    »Indem ihr tut, was ihr am besten könnt«, sagte eine Stimme. Sie fuhren herum. Der alte Schäfer, Courbette, wie die Leute im Dorf ihn nannten, stand in der offenen Scheunentür mit einem Krug Schafmilch in der Hand.
    »Und das wäre?«, fragte Amicus.
    Courbette gab Luna den Krug, die gierig daraus trank. »Pierre hat mir erzählt, ihr wäret Spielleute. Also spielt!«
    »In deiner Scheune mit dir als Publikum?«, spottete Amicus.
    »Oh, nein!« Courbette lachte. »In drei Tagen findet in Limousis ein großer Jahrmarkt statt. Viele Menschen werden dort sein. Und viele Menschen bedeuten viele Münzen.«
    »Wie weit ist Limousis entfernt?«, fragte Pierre.
    »Zwei Tagesreisen südwestlich von hier. Schlaft euch aus und zieht nach dem Frühstück weiter. Ihr werdet rechtzeitig ankommen.«
    »Limousis ist so gut wie jeder andere Ort«, sagte Raphael. »Wir danken dir für den Hinweis.«
    Courbettes zahnloser Mund formte ein Lächeln. Er wünschte eine gute Nacht und verließ die Scheune.
    »Schlafen wir«, schlug Raphael vor. »Für die Reise durch die Berge sollten wir ausgeruht sein.«
    Sie schoben die Heuballen zusammen, sodass sie eine bequeme Schlafstatt abgaben. Dann warfen sie alte Decken, barmherzige Almosen eines Bauern, über das Heu. Bald war es still in der Scheune.
    Die Nacht war kurz, aber das Heu warm und weich. Das Blöken der Schafe weckte die Freunde kurz nach Tagesanbruch. Pierre ging hinaus, um Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen, damit sie sich waschen konnten. Dann erschien auch schon Courbette, um seinen Gästen Brot und Käse mitzugeben. Raphael dankte ihm, und Courbette erklärte ihnen den Weg durch die Berge nach Limousis. Nach einem herzlichen Abschied zogen sie fort.
    Es war ein beschwerlicher Pfad, der durch die triste Hügel- und Bergwelt führte. An einigen Stellen war er kaum breit genug, um mehr als drei Menschen nebeneinander Platz zu bieten. Ihre größte Sorge, dass es womöglich kaum Wasser und nicht genug Nahrung für Giacomo geben würde, war schnell zerstreut. Dutzende Bäche und Flüsse strömten durch die Berge. Ihr Wasser war kalt, aber von köstlicher Frische. An den Ufern wuchsen Gräser und kleine Büsche, die saftige Blätter trugen. Auf Menschen trafen sie selten. Noch seltener auf Siedlungen oder gar Dörfer. Die Nacht verbrachten sie zitternd in ihre schäbigen Decken gehüllt unter freiem Himmel.
    Endlich, am Abend des zweiten Tages, erblickten sie Limousis. Jubelnd fielen sie sich in die Arme. Mit neuem Mut machten sie sich wieder auf den Weg.
    Während sie den Pfad hinunterstiegen, schweiften ihre Blicke unablässig über die

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