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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Nacht.«
    »Du glaubst, sie haben falsche Namen genannt«, sagte der Mönch. »Woher nimmst du dies Wissen?«
    »Weil der, der ein als Bauer verkleideter Mönch war, den Großen in der Aufregung mit ›Amicus‹ ansprach. Daraufhin nannte er den Jungen ›Pierre‹ und das ältere Weib ›Jeanne‹.«
    »Gut«, sagte der Mönch. »Woran kannst du dich noch erinnern?«
    »Das ist alles, ehrwürdiger Vater«, sagte Dubocq.
    Der Mönch legte seine Finger um Dubocqs Hals und drückte zu. »Das ist nicht alles! Denk nach!«
    Dubocq sah schwarze Schleier vor seinen Augen. »Ich …«, prustete er. »Ich denke ja schon nach. Bitte …«
    Der Mönch lockerte den Griff. »Nun?«
    »Ich glaube …« Dubocq musste husten. »Ich glaube, sie reisen weiter nach Montpellier.«
    Die Finger legten sich noch enger um den Hals des Medicus’. »Du glaubst?«
    »Ich … ich bin mir sicher. Ich habe ihnen von einem jüdischen Medicus erzählt, der in Montpellier arbeitet.«
    Die Gestalt ließ von Dubocq ab. Der griff sich an den Hals und massierte ihn vorsichtig.
    »Wie lautet der Name dieses Arztes?«
    »Juda ben Zekharya ibn Tibbon«, antwortete Dubocq.
    »Wo in Montpellier finde ich ihn?«
    »Das vermag ich Euch nicht zu sagen.« Und schnell fügte Dubocq hinzu: »Bei der Heiligen Jungfrau Maria, das ist alles, was ich weiß.«
    »Ich danke dir für deine Hilfe«, sagte der Mönch und wandte sich ab.
    Endlich ist es vorbei, dachte Dubocq. Er beschloss, liegen zu bleiben, bis der Dominikaner fort war. Allmählich beruhigten sich seine Nerven.
    Doch es war nicht vorbei. Der Dominikaner schnellte herum. Dubocq sah einen Herzschlag lang die Klinge eines Messers aufblitzen. Ehe er begriff, was geschah, schnitt die Klinge in sein Fleisch unterhalb des linken Ohrs. Von dort fuhr sie über seinen Hals bis unter das andere Ohr. Dubocq fühlte einen Schwall warmes Blut in seinen Kragen laufen. Dann fühlte er nichts mehr.
Juda
    E inen ganzen heißen Tag lang irrten sie schon in Montpellier herum auf der Suche nach dem jüdischen Medicus. Sie klopften bei etlichen Ärzten an und bekamen unverzüglich zu hören, dass diese nur den Adel oder das reiche Bürgertum betreuten. Noch bevor die Freunde auch nur den Namen Juda nennen konnten, hatten ihnen die Ärzte schon die Tür vor der Nase zugeschlagen.
    Am Nachmittag verschlimmerte sich Lunas Zustand. Das Fieber, das in ihrem Körper loderte, stieg so stark, dass Jeanne befürchtete, sie könne im nächsten Augenblick sterben.
    Nun brach der Abend herein, und die Freunde waren müde und hungrig. Vor einer mächtigen Kirche legten sie eine Rast ein.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte Pierre und stieg von seinem Pferd. Erschöpft setzte er sich neben das Kirchenportal auf das Pflaster und ließ den Kopf hängen.
    Jeanne kümmerte sich sofort um Luna. Sie lief hinüber zu einem nahen Brunnen, tränkte dort einen Stofffetzen und legte ihn auf Lunas Stirn. »Sie glüht wie Höllenfeuer«, sagte sie.
    »Ich kümmere mich um etwas Essbares«, sagte Amicus und verschwand in der Dämmerung.
    Lange sah Raphael Amicus nach, bis dieser hinter einer Ecke verschwand. Was in Herrgotts Namen konnten sie nur tun, um Hilfe für Luna zu finden? Das arme Kind konnte doch nicht hier auf offener Straße einfach dahinsiechen. Es gab gewiss eine Lösung. Es musste eine Lösung geben! Und es ging nicht allein um Lunas Wohl. Auch bei Jeanne und Pierre ließen allmählich die Kräfte nach. Amicus tat zwar noch so, als sei er unbesiegbar, aber Raphael sah, wie auch er gegen Müdigkeit, Hunger und Entkräftung kämpfte. Und er selbst? Es ging ihm um keinen Deut besser als den Freunden. Es gab Momente, da wäre er fast verzweifelt. Aber dann kehrten die Bilder brennender Menschen in sein Gedächtnis zurück. Wieder hörte er ihre Schreie. Und aus diesen Bildern schöpfte er neue Kraft. Er wusste, dass er nicht aufgeben durfte. Er würde gegen Lüge, Unrecht und Hass kämpfen, bis er Erfolg hatte oder der Henker das Stroh unter seinen Füßen entzündete. Er sah zu Jeanne hinüber, die sich rührend um Luna kümmerte. Sanft strich sie mit dem kalten Stofffetzen über Gesicht, Arme und Beine der jungen Frau. Vorsichtig näherte er sich den beiden, als könnte ein lautes Geräusch Lunas Zustand verschlechtern, und hockte sich neben Jeanne. Besorgt blickte er in das fiebrig glänzende Gesicht, das von kleinen Beulen übersät war. »Wie geht es ihr?«, fragte er.
    Jeanne wandte den Blick nicht von Luna, als sie antwortete: »Ich weiß

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