Hexengericht
wissen, wer die Reiter waren. Das schwarze Kreuz auf weißem Grund war genau zu erkennen. »Deutschordensritter«, flüsterte er.
Lazare sah ihn verwirrt an. »In dieser Gegend? Unmöglich!«
»Glaubt mir«, sagte Raphael. » Ich bin es, nach dem sie suchen.«
»Ihr?« Lazares Stimme vibrierte. »Was in Gottes Namen habt Ihr verbrochen, dass Euch Ritter des Deutschen Ordens suchen?«
»Besser, Ihr wisst es nicht«, antwortete Raphael.
»Verbergt Euch im Haus«, sagte Lazare. »Ich lenke sie ab.«
Raphael überlegte nicht lange. Er griff Noé, lief mit dem Knaben ins Haus und suchte fieberhaft nach einem Versteck. Erst stieg er in eine Truhe, in der er kaum Luft bekam, dann in einen leeren Schrank. Darin fühlte er sich wie in einem Kerkerloch. Schließlich hockte er sich hinter ein schmales Fenster. Von dort aus konnte er durch die halb geschlossenen Läden Lazare und die Ritter beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Noé kniete ängstlich neben ihm. »Es ist alles gut, mein Sohn«, flüsterte Raphael. »Sei ganz still. Dann ist die Gefahr bald vorüber.« Er war nicht sicher, ob Noé ihn verstand.
Schon erreichte der Tross das Ende des Feldes. Keine hundert Schritte von Lazare entfernt, stürmten die Ritter aus den dicht stehenden Ähren heraus auf den alten Mann zu. Raphael schätzte ihre Zahl auf vier oder fünf Dutzend. Eine kleine Armee. Woher wussten sie nur, wo er und seine Freunde sich aufhielten, fragte er sich. Niemand konnte es ihnen gesagt haben, auch nicht Juda. Er ahnte, dass diese Frage auf ewig unbeantwortet bleiben würde. Fieberhaft lugte er durch den Spalt. Er suchte einen dürren Mann in weißem Habit und schwarzem Skapulier. Und da war er auch schon. Imbert preschte an der Flanke der Ritter aus dem Feld heraus. Wie in einem Traum erschien er einen Herzschlag lang in Raphaels Blickfeld, dann war er auch schon wieder verschwunden.
Die Männer ritten weiter, ohne Lazare zu beachten. Raphael wollte schon aufatmen, als plötzlich fünf Ritter ausscherten und direkt auf Lazare zuritten. Die anderen zogen weiter in das Dorf. Vor dem großen Mann mit der Axt brachten die Männer die Pferde zum Stehen und richteten ihre Lanzen auf seinen Kopf. Alle trugen volle Rüstung mit schwerer Bewaffnung. Die Dolche und die schweren Zweihandschwerter steckten in den Scheiden. Hinter ihren Köpfen waren die Schäfte von Armbrüsten zu sehen, und an den Sätteln steckten Furcht einflößende Morgensterne. Zwei der Ritter trugen Fackeln.
»Was wollt ihr von mir?«, fragte Lazare unbeeindruckt.
»Hast du Fremde hier gesehen?«, fragte einer der Ritter. Durch das geschlossene Visier klang seine Stimme hohl. »Ein Mönch, der sich als Bauer ausgibt. In seiner Gesellschaft befinden sich zwei Männer und zwei Weiber.«
»Nein«, gab Lazare zurück. »Und wenn, warum sollte ich es dir sagen?«
Der Ritter trat seinem Pferd leicht in die Flanken, und das Tier machte einen Satz nach vorn. Gefährlich nah rückte die Lanzenspitze an Lazares Kehle. »Soll ich dir dein loses Maul stopfen?«
Raphael sah, wie Lazare leicht wankte und dann zwei Schritte zurückging. »Ich habe keine Fremden gesehen. Und jetzt verschwindet von meinem Land!«
Der Ritter lachte und wandte sich zu seinen Ordensbrüdern um. Die stimmten in das Gelächter ein. »Brennt das Haus nieder!«, rief er den Fackelträgern zu.
»Nein!«, schrie Lazare. Er stellte sich ihnen in den Weg. Die beiden Reiter ritten einfach über ihn hinweg. Lazare stürzte zu Boden und blieb regungslos liegen.
Entsetzt musste Raphaels mit ansehen, wie die Männer ihre Fackeln auf das strohbedeckte Dach schleuderten. Sofort fing das Stroh Feuer, und der Dachstuhl brannte lichterloh. Die Ritter verloren das Interesse an Lazare und dem brennenden Haus und jagten ihren Gefährten in das Dorf hinterher.
Ohne noch länger zu zögern, brachte Raphael Noé aus dem Haus und lief zu Lazare.
Vorsichtig strich Noé über dessen blutverschmiertes Gesicht. »Was ist mit Großvater?«, fragte er. »Ist er tot?«
Raphael legte einen Finger an dessen Kehle. Er fühlte ein schwaches Pochen. »Er lebt«, stieß er hervor. »Hat dein Großvater Geld im Haus? Geschmeide oder andere Dinge von Wert?«
»Was ist Geschmeide?«, fragte Noé.
»Ketten, Ringe, Armbänder«, sagte Raphael. »Alles, das glänzt und glitzert.«
»Ich weiß nicht«, sagte Noé mit Tränen in den Augen.
Der Wind hatte gedreht, und heiße Asche fiel auf sie herunter.
»Hör mir gut zu, Noé«, sagte
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