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Hexengift

Titel: Hexengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Pratt
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einfach hinunter. Marla machte sich keine Sorgen deswegen - eine einigermaßen sanfte Landung hinzukriegen, war weitaus einfacher als fliegen, und Ernesto würde auf seinem eigenen Schrottplatz aufkommen, wo er
jeden Winkel in- und auswendig kannte. Ihm würde nichts passieren.
    Marla wendete ihren Umhang nicht freiwillig. Jedes Mal, wenn sie in diesen Blutrausch verfiel, verlor sie ein Stück ihrer Menschlichkeit und kam dem Punkt, an dem sie nur noch dieses rasende Monster sein würde, immer näher. Aber es war eine sichere Möglichkeit, Reave und seine Männer zu beseitigen, eine verzweifelte Möglichkeit zwar, aber besser, als aufzugeben.
    Marla wendete ihren Umhang, und all ihre Bedenken waren wie weggeblasen. Die außerirdische Intelligenz, die in dem Umhang hauste, breitete sich in ihrem Bewusstsein aus, und jeder um Marla herum wurde zum potentiellen Ziel, keines wichtiger als das andere. Sie sah weder Freund noch Feind, nur noch Opfer. Dann stürzte sie sich mit ausgebreiteten Armen und gefletschten Zähnen mitten in die Schattenmänner. Sie war nur noch ein violetter Schatten, eine verwischte Aura von der Farbe eines Hämatoms, und wenn sie zuschlug, dann mit violetten Klauen. Wenn sie zubiss, schnappten dunkle Kiefer aus ihrem Gesicht wie die Schnauze eines Raubtiers, das seinen Opfern die Kehle durchbeißt. Die Schattengesichter fielen scharenweise, nur der mit dem weißen Kopf floh. Marla verfolgte ihn nicht. Sie würde ihn noch früh genug bekommen. Denn schließlich würde sie dieses Mal nicht eher Halt machen, bevor sie nicht alles Leben auf dieser Welt ausgelöscht hatte. Warum nur hatte sie so lange gezögert? Sie sollte sich einfach nehmen, was sie wollte. Sie konnte ihren Umhang doch jeden Tag tragen. Warum hatte sie solche Angst vor ihrer eigenen Macht? Der Schlammgolem kämpfte ebenfalls noch weiter,
er war umzingelt von Schattengesichtern, deshalb ignorierte Marla ihn vorerst und konzentrierte sich zunächst auf ihre unmittelbaren Gegner. Sie hackte und biss sich durch Reaves Männer, fräste sich durch ihre Angreifer, bis sie den verwinkelten Gang hinter ihnen erreicht hatte. Frauen in blutverschmierten Hochzeitskleidern fielen unter ihren Klauenhieben zu Boden, und mit ihren Füßen zertrampelte sie die Schädel von Babys mit Fangzähnen statt eines normalen Gebisses. Das hier war der wahre Sinn und Zweck ihres Lebens: Leben auszulöschen.
    Ihre Gegner waren alle besiegt, und Marla stürzte sich einem spiralförmig nach unten verlaufenden Korridor folgend ins Innere des Turms, bis sie einen Raum mit einem Thron aus menschlichen Knochen und Schädeln erreichte. Auf dem Thron saß Reave und betrachtete sie mit einem Gesichtsausdruck, den Marla nicht deuten konnte - Mimik sagte ihr nichts mehr, nicht in diesem Zustand. Schneller als ein Gepard jagte sie auf ihn zu.
    Erst ein gigantisches, alles zermalmendes Gewicht, das von oben auf sie herabfiel, stoppte sie. Reave hatte ihr eine weitere Falle gestellt und einen Teil der Decke auf sie herabstürzen lassen. Sie schob und grub und kämpfte sich einen Weg frei, spürte, wie Knochen in ihrem Körper brachen, ließ aber nicht nach, bis sie einen Lichtschimmer von den rauchenden Fackeln, die den Thronsaal erhellten, sehen konnte. Mit dem unbändigen Willen, zu kämpfen und zu töten, zwang sie sich weiter, aber ihr zerschmetterter Körper gab auf, und ohne ihren bewussten Befehl wendete sich der Umhang von selbst, von der tödlichen violetten auf die heilende weiße Seite.

    Marla stöhnte. Bei den Göttern, um ein Haar hätte die violette Seite ihr Bewusstsein für immer übernommen, und Marla wäre für den Rest ihres Lebens von dieser beängstigenden, parasitären Intelligenz, die den Umhang beseelte, gesteuert worden - es waren ihre schweren Verletzungen, die sie im letzten Moment gerettet hatten. Die violette Seite war nicht immer so stark gewesen, aber mit jedem Mal, wenn sie den Umhang benutzte, wurde es schwieriger, dem Drang zu widerstehen, zu töten, immer nur zu töten. Jetzt heilte die weiße Seite ihren fast zu Tode geschundenen Körper. Und was hatte sie damit erreicht? Sie hatte ein paar von Reaves recyclebaren Albtraummonstern ins Jenseits befördert. Kaum der Rede wert.
    »Weißt du, Marla«, sagte Reave, »ich hatte gar nicht damit gerechnet, meine einstürzende Decke schon so bald einsetzen zu müssen, aber du schienst es wert zu sein.«
    Marla konnte Reave nicht sehen. Sie lag unter Trümmern begraben, den Kopf in einem Winkel

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