Hexengift
Rondeau waren über jeden Verdacht erhaben. Aber Ted und Joshua … Ted hatte ihr bei Zealands neuerlicher Attacke das Leben gerettet, und Joshua war - von ihrer Liebesaffäre einmal abgesehen - bei ihrem ersten Kampf mit Reave dazwischengegangen und hatte ihr so zur Flucht verholfen. Wenn einer der beiden tatsächlich für das feindliche Lager arbeitete, warum hätte er ihr dann helfen sollen? Um den Schein zu wahren? Das glaubte sie nicht. Sie fasste nicht sehr leicht Vertrauen zu jemandem, aber die beiden hatten mit ihr in den letzten Tagen einiges durchgestanden, und solange sie keinen eindeutigen Beweis hatte, würde sie ihnen auch weiterhin vertrauen.
Marla hörte das Krächzen der Riesenkrähen - sie hatten also doch die Verfolgung aufgenommen. Sie war direkt über dem Fludd Park, in dem die Baumgeister immer noch gegen Reaves Nachtschattenmonster kämpften, als die Krähen sie schließlich einholten. Etwas traf ihre Schulter und hätte sie beinahe von ihrem Reittier heruntergerissen, aber Marla duckte sich und presste ihren Oberkörper ganz flach an den Rücken des Tiers. Ihr Umhang heilte die Wunde bereits - war sie von einer Kugel getroffen worden oder von etwas anderem? Egal, es hatte ihre Schulter auf jeden Fall glatt durchschlagen. Sie murmelte einen Zauber gegen den
Schmerz, von dem zwar ihre Hände ein wenig taub wurden, aber das war immer noch besser, als von den Schmerzen ohnmächtig zu werden, falls es sich um eine schwerere Verletzung handelte.
Ihre Verfolger schienen ihre Taktik zu ändern, denn jetzt traf ein Projektil die Flanke ihres Reittiers. Die Stiermöwe brüllte, doch es war Marlas Kehle, aus der der Schrei kam, und instinktiv tauchte sie ab, machte einen kleinen Sturzflug bis hinunter zu den Bäumen, um ihre Verfolger in dem Gewirr zwischen den Baumkronen abzuschütteln. Ihr Umhang konnte die Wunde ihres Reittiers natürlich nicht heilen, und solange sie die Zügel festhielt, spürte auch sie den Schmerz der Wunde, und den der nächsten, und der übernächsten - auch der Zauberspruch funktionierte nur für ihren eigenen Körper, nicht für den des Bullen, dessen Schmerzen auf sie übertragen wurden. Dann fühlte sie einen schweren Schlag gegen eines der Beine ihres Reittiers, ein brennender Schmerz fuhr durch den linken Flügel und trennte die komplette Spitze ab. Sie gerieten ins Trudeln, Marla wurde wegen der Schmerzen einen Moment lang schwarz vor Augen, und der Untergrund kam mit rasender Geschwindigkeit näher. Marla riss an den Zügeln und konnte sie im letzten Moment gerade noch hochziehen, spürte bereits den Schnee unter den Hufen der Stiermöwe. Schlitternd kamen sie neben dem Ententeich zum Stehen, dann rutschte die Chimäre aus, und Marla fühlte eine Schmerzexplosion in ihrem - nein, im Körper des Tiers. Wie betäubt fiel sie von seinem Rücken. Die Hinterbeine der Stiermöwe waren gebrochen und standen entsetzlich verdreht von ihrem Körper ab. Stöhnend kroch Marla ein Stückchen weg, während die Krähen
näher kamen und in respektvollem Abstand landeten. Ihre Reiter stiegen ab und schlichen sich vorsichtig heran - jetzt konnte sie ihren Umhang wenden. Dennoch war es durchaus möglich, dass sie bei diesem Kampf sterben würde, und ihr Tod wäre vollkommen nutzlos, denn die Schattengesichter, die sie mit sich riss, waren leicht zu ersetzen. Die Vorstellung deprimierte sie zutiefst.
Dann erhob sich etwas aus dem Teich: Wasser in der Gestalt eines Bären bewegte sich auf das Ufer zu. Marla sprang zur Seite, aber das Ding trottete einfach an ihr vorbei und stürzte sich auf die Krähen und deren Reiter. Die Kreatur musste einer von Grangers Elementargeistern sein, ein Natur-Avatar, den er in dem Park gefangen hielt, verpflichtet, ihn zu verteidigen. Anscheinend erkannte er Marla als eine Verbündete, denn er beachtete sie gar nicht und schlug stattdessen wie wild auf Reaves Schattengesichter ein. Nun kamen auch die Baumgeister heran, gesellten sich zu dem mordlüsternen Bären, und schon bald lagen die Riesenvögel zerfetzt und zerschmettert neben ihren toten Reitern, lösten sich in schleimige Pfützen auf. Der Bär verschwand wieder in seinem Teich, und auch die Baumgeister zogen sich zurück.
Marla ließ sich neben der Stiermöwe in den Schnee fallen und streichelte den Kopf des Tieres. Erst nach einer Weile bemerkte sie, dass das Zaumzeug gar nicht mehr da war. Es musste während ihres Sturzes vom Kopf des Tieres gerissen worden sein. Die Chimäre drehte Marla ihren
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