Hexengift
Ordnung, Marla?«
»Ngh«, war alles, was sie herausbrachte. Das Fluchen hatte ihr die letzten Kräfte geraubt. Sie spürte zwar, dass ihr Körper ihr langsam wieder gehorchte, war aber noch nicht in der Lage, sich zu bewegen. Schließlich schaffte sie es, so etwas wie ein »Ja« auszuspucken.
»Wer zum Teufel ist dieser Mann?«
»Killer. Hilf mir.«
»Ich hatte schon Angst, er hätte dich umgebracht.« Joshua kroch über das Bett und sah zu Marla hinunter. Sein Gesicht war ein wunderbarer Anblick, der Ausdruck darauf zeugte von unendlicher Anteilnahme und Zärtlichkeit.
»Fesseln … ihn.«
»Natürlich«, antwortete Joshua und sammelte die Tücher
zusammen. Dann kniete er sich neben Zealand. Marla gelang es endlich, sich ebenfalls aufzusetzen, auch wenn sie sich fühlte, als stecke sie in einer tonnenschweren Ritterrüstung, die die letzten fünfhundert Jahre auf dem Meeresgrund verbracht hatte.
»Lausiges Date für dich. Sorry.«
»War aber trotzdem nicht uninteressant«, erwiderte Joshua.
Marla stieß Zealand mit dem Fuß an. Er stöhnte. »Ich werde dich nicht töten, wenn du mir eine andere Möglichkeit lässt«, sagte sie. »Aber dafür müsste ich schon wissen, wer dich geschickt hat. Ich weiß schon, Ehrenkodex und das ganze Blabla, aber da du dich schon von den Zeitattentätern verpisst hast, denke ich, dass dir Dinge wie Ehre nicht ganz so wichtig sind.«
»Mir … mir ist schwindelig«, stammelte Zealand, während Joshua seine Hände erstaunlich schnell und geschickt fesselte.
»Kann ich mir gut vorstellen«, erwiderte Marla. »Was glaubst du, wie es mir ging, nachdem du mich mit diesem Ding erwischt hast?«
»Nein … es ist … es ist etwas anderes«, stotterte Zealand weiter. Und dann verschwand er.
Joshua saß mit den nun leeren Seidenschals in der Hand auf dem Boden. Die Knoten waren noch da, aber die Handgelenke dazwischen waren verschwunden. »Magie«, murmelte er.
Marla stöhnte auf. »Verdammt, dass nenne ich einen guten Trick. Hätte ich mich doch ein bisschen mehr mit Teleportation beschäftigt. Scheiße.« Sie blickte sich um. »Zumindest
habe ich ein paar von seinen Sachen. Das Messer und die Pistole hat er fallen gelassen, und da drüben liegt noch eine Garotte. Und so, wie es aussieht, ist da sogar noch eine ganze Tasche im Wandschrank. Das müsste reichen, damit Langford ihn aufspüren kann. Vorausgesetzt natürlich, er hat schon länger mit diesen Gerätschaften gearbeitet. Beim nächsten Mal wird er mir nicht mehr so einfach davonzwitschern, und ich werde erfahren, wer mich diese Woche umbringen will. Ich …«
Joshua streckte seinen Arm aus und legte ihr eine Hand aufs Knie. Sie unterbrach ihren Satz abrupt und sah ihn an, hypnotisiert von seinem Blick. »Ich habe Hunger«, sagte er. »Lass uns was beim Chinesen bestellen.«
Marla starrte ihn eine Minute lang an, dann begann sie laut zu lachen. »Ich hab vorhin schon Chinesisch gegessen. Wie wär’s mit Thai?«
»Geht in Ordnung.«
Zealand lag flach auf dem Rücken und starrte an die Decke, während dieser atemberaubend schöne Mann ihn fesselte. Wenn er nur die Rollen mit ihm tauschen könnte … Zealand war stark und hatte eine kräftige Konstitution, aber er rechnete nicht damit, sich schnell genug von der Lähmung durch den Elektroschocker zu erholen. Es würde noch mehrere Minuten dauern, und bis dahin wäre Marla so weit, ihn zum Reden zu zwingen. Oder Schlimmeres. Sie kannte seinen Namen, was bedeutete, dass sie mit jemandem von seiner Organisation gesprochen hatte, vielleicht sogar mit Kardec selbst. Es könnte sein, dass sie bereit wäre, ihn am Leben zu lassen, wenn er kooperierte - aber seine einstigen Brüder
und Schwestern? Wohl kaum. Sie waren geduldig, sie würden ihn langsam sterben lassen. Zealand kam zu dem Schluss, dass er Marla alles erzählen würde, wenn sie ihn im Gegenzug dafür laufen ließ. Sobald er aus der Stadt heraus war, würde er Gregor seinen Vorschuss zurückbezahlen. Er glaubte zwar nicht, dass dieser bis dahin noch am Leben sein würde - nicht, nachdem er Marla verraten hatte, dass Gregor ihn auf sie angesetzt hatte -, aber wenn es ums Geschäft ging, war Zealand ein durch und durch rechtschaffener Mann.
Dann überkam ihn wie aus dem Nichts ein weiterer Schwindelanfall - die leicht vergilbte Zimmerdecke über ihm war verschwunden, ersetzt durch einen Himmel von einem so reinen Blau, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Der Boden unter ihm war kein vergammelter Teppich mehr,
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