Hexengold
Leute sitzen dort zusammen. Es herrscht eine ganz andere Stimmung als in einem herkömmlichen Gasthaus. Mittlerweile soll es solche Kaffeehäuser auch in Oxford und in London geben. Ich bin gespannt, wann man bei uns ebenfalls ein solches einrichten wird. Schmeckte mir der Kaffee besser, würde ich glatt erwägen, hier in Leipzig eines einzurichten.« Wieder lachte er sein kehliges Lachen. »Leider aber hält mich nicht nur der Geschmack davon ab, sondern auch mein Geschäft.«
»Ihr seid also häufig in Italien?«, erkundigte sich Magdalena und ließ den Blick über ihren Gastgeber gleiten, der sich auf dem Stuhl über Eck niedergelassen hatte. Die feine, lange Nase erschien ihr wie ein Fremdkörper in dem spröden Gesicht. Vermutlich rührte dieser Eindruck allein von den Blatternarben. Die Einkerbungen erweckten den Anschein des Groben, der seinen sonstigen Zügen zuwiderlief. Die Art, wie er sprach, ließ auf ausgeprägten Feinsinn schließen. Ebenso zeigte seine vornehm zurückhaltende Kleidung, dass er kein Draufgänger war.
»Welcher Kaufmann ist das nicht, Verehrteste?« Sinnierend zwirbelte er die Enden seines dünnen Lippenbarts. »Lieber als nach Süden reise ich allerdings nach Norden. In den nächsten Tagen breche ich mit einer kleinen Gruppe zum Frischen Haff auf. Schon jetzt freue ich mich darauf. Doch gestattet mir meinerseits eine Frage: Was führt Euch hierher nach Leipzig? Ihr seid mit dem guten Ehringer und seinen Gefährten unterwegs, wie mir zu Ohren kam.«
»Ihr kennt ihn? Woher?«
»Schon lange.« Helmbrechts Augen blitzten auf. »Mein Vater pflegte über viele Jahre mainfränkischen Wein von ihm zu beziehen. Ihr aber werdet ihn kaum der Weinlieferungen wegen nach Leipzig begleitet haben, nicht wahr? Dabei kann ich mir gut vorstellen, dass Ihr selbst den sauersten Tropfen besser anpreist als er. Euch würde man alles abkaufen, Verehrteste.«
Seine Stimme wurde leise, gefährlich nah neigte er sich ihr zu. Herber Tabakgeruch umspielte seine braunen Haare, vermischt mit einer Spur Minze. In seinem halbgeöffneten Mund blitzten lange, weiße, sehr gepflegte Zähne.
»Danke für Eure gute Meinung, aber zum Weinverkaufen tauge ich nicht sonderlich.« Fahrig strich sie eine rote Locke aus dem Gesicht. Ihr Herz klopfte heftig. Eine vage Idee beschäftigte sie zusehends. »Wohin genau reist Ihr am Frischen Haff?«
»Ihr kennt Euch dort oben aus?« Neugierig sah auch er sie direkt an. »Mein endgültiges Ziel heißt Königsberg.«
»Welch Zufall!«, entfuhr es ihr. Ihr Herz klopfte noch heftiger. Ihre Hände zitterten. Verwirrt sah er sie an und legte seine langen, schlanken Hände auf die ihren. Seine Bernsteinaugen wurden schmal, die vernarbten Wangen röteten sich.
»Entschuldigt«, stammelte sie unbeholfen und entzog sich der Berührung. Es hatte gutgetan, die Wärme seiner Haut zu spüren, viel zu gut angesichts dessen, dass sie eine verheiratete Frau war. Rasch erhob sie sich, strich das dunkelgrüne Samtkleid glatt und tastete wie zufällig nach dem Bernstein, der verborgen unter dem Stoff lag. »Ich sehe wohl besser nach Eurer Schwägerin. Wahrscheinlich ist sie mittlerweile aufgewacht.«
Sie eilte zur Tür, die in das angrenzende Schlafgemach der Hausherrin führte. »Wartet!« Flink war er bei ihr. Als sie seinen Atem im Nacken spürte, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. »Meine Schwägerin wird noch ruhen. Erzählt mir erst, was Euch so sehr an Königsberg liegt.« Behutsam führte er sie ein Stück von der Tür weg. »Habt Ihr eine besondere Beziehung nach dort oben? Mögt Ihr vielleicht Bernstein?« Bei diesem Wort leuchteten seine Augen auf. Unwillkürlich presste sie die Hand auf ihre Brust, dort, wo der Bernstein sich in der Kuhle versteckte.
»Ich handele mit Bernstein«, fuhr er fort. »Ich kann Euch so manch besonderes Stück beschaffen. Falls Ihr welchen für Eure Arzneien braucht, weiß ich ebenfalls Rat.«
»Danke, aber in unserer Familie hat der Bernsteinhandel schon eine sehr lange Tradition.« Erstaunt über die eigenen Worte schloss sie kurz die Augen. Es war keine Lüge, sie hatte die Wahrheit gesagt.
»Welch Zufall! Dann sind Euer Gemahl und ich am Ende Konkurrenten um die besten Stücke.« Seine Bernsteinaugen schienen sich tief in sie hineinzubohren. Sie konnte nicht umhin, ihn anzulächeln. »Umso neugieriger bin ich auf Eure Erklärung, Verehrteste, was Euch als Ehefrau eines Bernsteinhändlers ohne Euren verehrten Gemahl nach Leipzig verschlägt.« Er
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