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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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ihrer Nähe und weit weg von Eric beschäftigen konnte. »Willst du mir oben auf dem Speicher zur Hand gehen? Ich habe gestern eine große Kiste mit seltenen Kräutern und Ölen aus Antwerpen bekommen.«
    Sie wusste, wie sehr sich Adelaide dagegen sträubte, auf dem Trockenboden mit den Utensilien für die Arzneien zu hantieren. Allein die Vorstellung, Mineralia, getrocknete Insektenlarven oder gar tote Käfer zu sortieren, bereitete ihr Pein. Dabei war ihr das aus der Kindheit in der Bamberger Apotheke ihrer Eltern bestens vertraut. Andererseits fehlte ihr ein überzeugender Grund, die Bitte an diesem Morgen abzulehnen. Das leichte Schnauben, das diese Erkenntnis bei ihr verursachte, besserte Magdalenas Laune schlagartig.
    »Kann Carlotta das nicht übernehmen?«, versuchte Adelaide zaghaft, sich doch noch um die Aufgabe zu drücken. Gedankenverloren tippte sie mit angefeuchteten Fingerspitzen Brotkrümel vom Tischtuch und sammelte sie auf einem Teller.
    »Wenn sie von der Petersen zurückkommt, wird sie unten im Kontor Reisekarten sortieren.« Mit Genugtuung betonte Magdalena das, bewies es doch die vielseitigen Interessen ihrer Tochter. Mathias dagegen tat sich trotz bester Vorsätze schwer im Kontor. Nicht allein der Umgang mit Zahlen, auch die Auseinandersetzung mit geographischen Karten und sonstigen Hilfsmitteln der Kaufleute bereitete ihm große Mühe. »Wahrscheinlich wird sie Mathias außerdem bei den Lieferantenrechnungen helfen. Eric braucht sie bis heute Abend, und allein schafft es dein Sohn noch nicht.«
    »Du weißt, wie Jungen in dem Alter sind.« Wie so oft, wenn sie verlegen war, reckte Adelaide die Nase nach oben. »Wenn du mich fragst: Ich fände es besser, du hieltest deine Tochter aus dem Kontor heraus. Das ist nichts für Mädchen. Jetzt, da Mathias da ist, wird sie dort wirklich nicht mehr gebraucht. Ein Familienmitglied ist als Vertrauensperson mehr als genug.«
    »Es kommt dir wohl sehr zupass, dass dein Sohn genau im richtigen Alter ist, als Gehilfe im Kontor einzusteigen.« Magdalena verschränkte die Arme vor der Brust und sah von oben auf die immer noch am Tisch sitzende Adelaide hinunter.
    »Was meinst du damit?«
    Magdalena zögerte einen Moment zu lang mit der Antwort. Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubender Lärm im Haus. Etwas rasselte, dann klirrte es hell. Schreie ertönten, Pferde wieherten, der Hund schlug an. Es folgte ein dumpfer Knall, dann wurde es gespenstisch still. Erschrocken sahen die beiden Frauen sich an. Kurz darauf setzte wieder das übliche Getöse im Hof ein.
    »Sie laden wohl einen Wagen ab und haben dabei etwas heruntergeworfen«, stellte Magdalena achselzuckend fest und verzichtete darauf, ihr Gespräch fortzusetzen. Mit wenigen Handgriffen räumte sie den Tisch ab.
    Endlich ergriff Adelaide das Wort: »Ich bin dir sehr dankbar, dass mein Sohn so kurz nach dem Tod seines Vaters ins Kontor eintreten konnte. Eric hat völlig recht: Was nützt ihm die Lateinschule? Viel eher muss er in der Lage sein, das Erbe seines Vaters anzutreten. «
    »Genau um das Erbe geht es dir, nicht wahr?« Magdalena knallte die letzte Tasse aufs Tablett und pustete sich eine rote Locke aus der Stirn. »Eigentlich sollte ich beleidigt sein, dass du mich für so einfältig hältst, das nicht zu durchschauen. Gib zu: Du traust Eric und mir nicht, eure Interessen im Kontor zu berücksichtigen. Das ist der wahre Grund, warum du nicht einmal länger drüben in der Sandgasse wohnen wolltest!«
    Einen Moment stutzte Adelaide. Dann hatte sie sich wieder gefasst. »Keine Sorge: Du bist die Letzte, die ich für einfältig halten würde.« Ruhig stand sie auf und baute sich vor Magdalena auf. »Gerade nach Vinzents Tod ist mir wichtig, die familiären Bande zu pflegen. Ihr seid für mich und vor allem für meinen Sohn die einzig verbliebenen Verwandten. Deshalb wusste ich auch gleich, dass wir in dieser schweren Stunde zu euch kommen und euch um Hilfe angehen konnten.« Sie lächelte und berührte Magdalena sacht am Arm, suchte ihren Blick. Schließlich ging sie hoch erhobenen Hauptes hinaus.
    Verblüfft schaute Magdalena eine ganze Weile noch auf die längst wieder geschlossene Tür zum Treppenhaus und rieb sich die Stelle am Arm, an der Adelaide sie angefasst hatte. Es war, als glühte ihr dort die Haut wie bei einer Verbrennung.
    »Herrin, schnell, es ist etwas Schreckliches passiert!« Atemlos stürzte Mechthild in die Stube. Die hellen Zöpfe flogen ihr um den Kopf, das blasse Gesicht war

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