Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
verschiedene Strukturen, Färbungen und Maserungen aufwiesen. Dazu legte er zwei eng beschriebene Blätter mit bereits von ihm vorformulierten Texten der einzelnen Gutachter. »Das brauche ich bis morgen Abend!«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Das hier ist die Anzahlung. Den Rest bekommst du, wenn die Arbeit fertig ist und zur Zufriedenheit ausfällt!«
Der Schulmeister hatte es trotz der knappen Frist nicht eilig, sondern versteckte zuerst einen Teil des Geldes unter einer der losen Dielen und suchte danach unverzüglich eine Wirtschaft auf, wo er sich zum ersten Male wieder seit Wochen den Bauch mit einem großen Teller Kohlsuppe voll schlug, in der ein paar faserige Fleischstücke schwammen. Seine immer noch ängstlichen Bedenken betäubte er mit einem großen Krug Bier und machte sich dann sofort auf den Weg nach Hause, wo er die erste obenaufliegende Schriftprobe einige Zeit lang eingehend besah und sich dann einen dem Schriftbild entsprechenden Gänsekiel zurechtschnitt. Nachdem mehrere Versuche zu seiner Zufriedenheit ausgefallen waren, nahm er ein leeres Blatt und begann abzuschreiben: Ich, Thomas de Scocia, Doktor der heiligen Theologie, wenn auch unwürdiger, denke übereinstimmend mit allen unseren ehrwürdigen vorstehenden Magistern über den Inhalt.
Nun stand der Mönch wieder vor ihm in der durch den dürftigen Kerzenschein kaum erhellten Stube und Schnyder spürte, wie trotz der lauen Frühlingsnacht ein leichtes Frösteln über seinen Rücken kroch.
»Hier ist wie versprochen die Tinte«, kam aus dem Halbdunkel befehlend die schnarrende Stimme, »setz alle Unterschriften ein, benutze dabei aber nur einen Federkiel und nur diese Tinte!« Institoris stellte das Fläschchen auf den Tisch und legte die beiden Urkunden dazu. Nachdenklich starrte er auf die Papierrollen, räusperte sich dann und drehte sich dann zu Schnyder um. »Nein, nicht alle«, sagte er dann, »die von Jacobus Sprenger lässt du weg! Vorläufig zumindest!«, fügte er hinzu, als er merkte, wie ihn der ehemalige Schulmeister verwundert ansah.
Ihm waren zunehmend Bedenken gekommen, hier mitten in Köln und damit faktisch unter den Augen des Priors dessen Unterschrift fälschen zu lassen. Wenn dieser davon Wind bekommen sollte, würde ihn dieser ohne mit der Wimper zu zucken nicht nur im Kloster einsperren, sondern in den Kerker werfen lassen. Aber nicht nur das – auch seine ganze Arbeit und Mühe, die er sich mit dem »Hexenhammer« gemacht hatte, wäre womöglich umsonst gewesen. Mit Freude würde Sprenger auch alles daransetzen, ihn aus dem Orden ausstoßen zu lassen, der Bischof Golser würde sich hämisch über ihn lustig machen und selbst noch im fernen Rom würden sie über ihn spotten. Aber er konnte auf seine Unterschrift nicht verzichten, schließlich war Sprenger auch Dekan der Universität und erst durch die Beglaubigung durch ihn erhielt die Urkunde das nötige Gewicht.
»Nein, lass seine Unterschrift weg«, wiederholte er halblaut. So ließ er sich ein kleines Schlupfloch offen und er konnte immer noch behaupten, es sei nur durch ein dummes Missgeschick dazu gekommen, dass man ihn nicht in das Haus des Lambertus de Monte eingeladen hätte. Auch dem Einwand, er, Sprenger, würde den Inhalt des »Hexenhammers« überhaupt nicht kennen, könnte er so leichter begegnen. Mit erstaunten Augen würde er etwaigen Fragestellern antworten, das sei ihm vollkommen unverständlich und nicht erklärlich, da er ausdrücklich einen Angestellten des Druckers Drach angewiesen habe, ihm persönlich ein Exemplar zu übergeben. Für ihn sei es selbstverständlich außer Frage gestanden, dass auch der hochverehrte Mitbruder und Prior zu demselben Schluss wie alle anderen Unterzeichner gekommen wäre, allein schon deswegen, weil von ihm ja auch kein Einwand gekommen sei.
Sprenger würde ihn in einem Kloster einsperren lassen und ein Disziplinarverfahren gegen ihn anstrengen – das wäre bestimmt nicht sonderlich angenehm, aber sicher immer noch harmlos gegen das, was ihn erwartete, sollte er ihn wegen Urkundenfälschung überführen. Das wäre das Ende seiner mönchischen Existenz – was sollte er denn dann noch anfangen? Schließlich war er im achtundfünfzigsten Lebensjahr und er malte es sich lieber nicht aus, wie seine Zukunft aussehen würde, wenn …
Trotzdem. Überall hatte er herumerzählt, sein Inquisitorenkollege Jakob Sprenger sei Mitverfasser des »Hexenhammers« und sogar mehr als einmal betont,
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