Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Zwar bezieht sich das Schreiben hauptsächlich auf Eure persönliche Tätigkeit, aber der Satz mit den Incubi und Subcubi hat allgemeine Bedeutung. Für uns bedeutet das, wir brauchen die Anklagen nicht mehr über den Umweg Ketzerei und die Auslegung des Canon episcopi erheben, sondern können nun einen direkten Weg einschlagen. Das heißt, damit werden auch die Prozesse kürzer und einfacher zu führen sein!«
Fra Laurentius trat zum Fenster und sah in das nunmehr wirbelnde graue Schneegestöber. »Schon Eymericus hat eine Lockerung der Römischen Rechtsregeln gefordert, aber er stand mit seinen Vorschlägen innerkirchlich auf verlorenem Posten. Vielen Klerikern fehlt auch heute noch einfach die Härte, notwendige Maßnahmen mit aller Konsequenz durchzuführen. Man muss sie förmlich dazu zwingen, der Wahrheit ins Auge zu sehen.«
»Da habt Ihr Recht!«, bestätigte Institoris. »Bei uns weigern sich sogar Inquisitoren wie Sprenger, ihren Aufgaben nachzukommen!«
»Wieso steht er denn dann ausdrücklich in der Bulle?«, fragte der Italiener verwundert.
Bruder Heinrich kniff die Lippen zusammen. Du mit deinem vorschnellen Mundwerk …, dachte er und gab zur Antwort, Sprenger habe ihn darum gebeten und das sei etwas, was er seinem deutschen Inquisitoren-Kollegen wohl nur schwerlich hätte absagen können. »Wie war denn das in Bormio?«, versuchte Institoris abzulenken, bevor er noch weiter über sein Verhältnis zu Sprenger ausgefragt wurde.
Fra Laurentius wandte sich um und machte ein besorgtes Gesicht. »War? Das ist noch nicht ausgestanden. Da warten noch einige auf ihren Prozess, aber durch den hohen Schnee ist das Gebiet von der Außenwelt abgeschnitten. Im Herbst sind mir noch beim Einsetzen der ersten Schneefälle einige Verdächtige nach Tirol in die Herrschaft des Erzherzogs Sigmund entwischt und ich werde versuchen, im Frühjahr rechtzeitig in Bormio zu sein, um weiteren Verdächtigen keine Gelegenheit zur Flucht zu geben!«
Er hielt einen Moment inne und blickte nachdenklich zu Boden. »Wie das angefangen hat, wollt Ihr wissen? Hmm, ich bin da nicht von mir selbst aus tätig geworden, sondern ich wurde von den dortigen Bürgern genau so wie Ihr in Ravensburg darum gebeten. Ein kleines Kind war aus seiner Wiege verschwunden und als der Vater der Sache nachging, sah er nächtens eine Versammlung von Frauen, die den Knaben töteten und sein Blut schlürften. Danach verspeisten sie ihn. Ja, das war der Anfang. Über die Hebamme, auf die mein erster Verdacht fiel und die dann auch gestand, kam ich auch nach und nach den anderen Frauen auf die Schliche! An die zwanzig von ihnen sitzen noch im Kerker! Es wären alle schon abgeurteilt, wenn die Beweisführung einfacher wäre!«
»Was meint denn Eymericus dazu?«, fragte Institoris.
Fra Laurentius stieß einen tiefen Seufzer aus. »Er hat schon damals erkannt, dass es sich bei der Ketzerei um einen ungewöhnlichen Tatbestand handelt, genau so, wie wir es nun bei den Hexereidelikten zu tun haben. Ungewöhnliche Verbrechen fordern ungewöhnliche Maßnahmen. Genau darauf zielt er auch ab. Er sagt, eine Denunziation eines einzelnen Beamten oder einer einzelnen Privatperson reichen aus, um eine Untersuchung einzuleiten. Es brauchte nicht mehr ein durch mehrere Zeugen bestätigtes Gerücht. Dazu kommt, dass von nun an auch unglaubwürdige Personen wie Verbrecher, Meineidige und Bettler als Zeugen aussagen können. Weiters ist er der Ansicht, der im Römischen Recht verlangte und in der Bulle ›Qualiter et quando‹ festgeschriebene konkrete Beweis könne entfallen, ein bloßer Verdacht reiche zur Aburteilung aus und Aussagen unter Folter gälten stattdessen als Beweise.«
»Ich bin sowieso der Meinung, die Richter sollten mehr eigenen Ermessungsspielraum haben und nicht nur Urteile nach juristischen Spitzfindigkeiten, sondern aus ihrer eigenen Überzeugung heraus fällen können!«, unterbrach ihn Institoris, worauf ihn sein Mitbruder ansah und bestätigend nickte.
»Aber das ist noch nicht alles«, fuhr der Italiener fort. »Moment, ich habe es gleich.« Er blätterte eine Zeit lang im Buch, bis er die entsprechende Stelle gefunden hatte.
»Da, da ist es: Auch Bestimmungen von ›inquisitionis negotium‹ sollen aufgehoben werden. Dem Angeklagten werden die Namen aus Gründen des Zeugenschutzes der gegen ihn aussagenden Zeugen nicht mehr genannt und dem Angeklagten werden auch nur noch die zusammengefassten Aussagen verlesen …«
»Was natürlich
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