Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
erheblichen Spielraum offen lässt«, warf Bruder Heinrich stolz ein. »Da habe ich bereits meine eigenen Erfahrungen. So ähnlich wurde es auch in Ravensburg gehandhabt!«
»Ferner gibt es keinen Zeugen › pro reo‹, also für den Angeklagten, da sich ein solcher sofort als Mittäter verdächtig machen würde.«
Institoris wiegte bedenklich den Kopf. »So ganz ist das wahrscheinlich nicht durchsetzbar. Ich höre schon die Rechtsverdreher wie getretene Hunde aufheulen, weil sie um ihren Mammon zittern.«
»Na gut«, entgegnete Fra Laurentius, »man müsste es so hindrehen, dass sich kaum ein Verteidiger getraut, einen solchen Fall zu übernehmen, weil er Angst haben muss, selber als Sympathisant oder gar Mitverschworener verdächtigt zu werden.«
»Das ist eher praktikabel«, stimmte Institoris zu.
»Was wollt Ihr nun mit Eurer Bulle machen?«, wollte de Santa Agatha nach einiger Zeit wissen.
»Ich weiß es noch nicht genau. In Ravensburg laufen noch Verfahren und der Notar Gremper ist schon vor einigen Tagen hier durchgekommen, hat man mir gesagt. Ein Abschrift der Bulle hat er dabei und ich hoffe, das sie entsprechenden Eindruck macht. Im Übrigen möchte ich noch einige Zeit hier bleiben, es sind noch einige Dinge, die ich nachlesen möchte, im Decretum Gratiani zum Beispiel und noch ein paar andere Schriften, die ich hier gefunden habe: Augustinus, Thomas von Aquin, Aristoteles, Tullius, Publius Syrius …«
»Decretum Gratiani?« Fra Laurentius warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Das war doch auch mit einer der Grundlagen zur Stützung des Canon episcopi? Was wollt Ihr noch damit, wenn Ihr es nun schriftlich habt, dass es Hexen tatsächlich und nicht nur in der Einbildung gibt?«
Institoris sah ihn überheblich an. »Ebendrum. Es werden einige kommen und mit dem Canon argumentieren, auch wenn ausdrücklich in der Bulle steht, dass sie mir eigentlich nicht widersprechen dürfen. Man muss sie mit ihren eigenen Waffen schlagen und ich bin mir sicher, viele von ihnen wissen gar nicht genau, was da alles drinnen steht!« Man muss sie über den Haufen reden!, dachte er bei sich, behielt diese Weisheit aber für sich.
»Ihr müsst sie drucken lassen!«
»Was? Was drucken?«, fragte Bruder Heinrich, der mit seinen Gedanken ganz woanders war.
»Die Bulle. Ihr müsst sie drucken lassen!«
»Wieso drucken? Wie kommt Ihr darauf?«
»Nein, nicht ein paar Exemplare abschreiben lassen und dann an ein paar Stellen anschlagen. Wenn Ihr schon so etwas in der Hand habt, müssen es die Leute in den betreffenden Gebieten auch erfahren – und zwar so schnell wie möglich. Dazu kommt der Eindruck, den so etwas machen wird – eine Empfehlung, nein, nicht Empfehlung – ein Befehl vom Papst persönlich. An jeder Kirchen- und Gasthaustüre, an jedem Baum und jedem Heustadel muss das hängen! Damit gibt es keine Zweideutigkeiten mehr, niemand kann sich damit herausreden, er hätte nichts gewusst oder er habe es falsch verstanden!«
»Aber die meisten können doch gar nicht lesen!«, erwiderte Institoris.
»Na und? Dann sollen sie es sich vorlesen lassen! Glaubt mir, so etwas müsst Ihr nutzen, das muss unter dem Volk verbreitet werden! Und Gedrucktes macht mehr Eindruck als das gesprochene Wort!«
Bruder Heinrich sah ihn zweifelnd an und plötzlich schoss ihm einer seiner verrückten Einfälle durch den Kopf.
»Ihr habt gesagt, einige der Verdächtigen in Bormio seien nach Tirol entkommen. Wie viele Hexen wurden dort denn schon ihrer Untaten überführt?«
Der Italiener sah ihn überrascht an. »In Tirol? Meines Wissens bis dato noch keine einzige!«
»Und? Woran liegt das? Es gibt bestimmt auch in Tirol Hexen! Aber wenn man nicht sucht, findet man auch keine!«
»Nikolaus von Kues!«, antwortete Fra Laurentius unsicher. »Er war bis vor ungefähr zwanzig Jahren Bischof von Brixen.«
»Wer? Cusanus?«, fragte Institoris verblüfft.
»Habt Ihr das nicht gewusst? Er musste zwar wegen der Streitereien mit dem Herzog Sigmund nach Rom flüchten, seine Stelle als Bischof hat er aber bis zu seinem Tode beibehalten. Wegen seiner Frömmigkeit war er beim Volk zwar angesehen, aber wegen seiner rigorosen Verbote nicht sonderlich beliebt. Er hat öffentlich von der Kanzel verkündet, die Hexerei sei nichts als reiner Aberglaube und hat auch die Priester dazu angehalten, dasselbe zu predigen!«
»Auch ein großer Gelehrter, der er zweifelsohne war, kann sich irren!«, brummte Bruder Heinrich unwillig.
»Sein Nachfolger
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