Hexenheide
sparsam bin«, sagt Gertrud, die ihre Blicke gesehen hat, »aber sonst merkt sie es sofort.«
»Macht nichts«, sagt Karim schnell. »Lecker!« Und er stopft sich sein halbes Butterbrot in den Mund.
Lenne probiert es mit kleinen Bissen, in der Hoffnung, dadurch etwas länger davon zu haben. »Wir müssen eine Stunde warten«, teilt sie Gertrud mit.
»Ach du lieber Himmel«, sagt Gertrud. »Ich habe hier nichts Schönes für euch zu tun.«
»Können wir Ihnen vielleicht bei irgendwas helfen?«, fragt Karim.
»Aber nein. Geht ihr mal ein bisschen in den Garten. Ein bisschen rumgucken. Ich lasse die Küchentür einfach auf. Aber treibt euch bitte nicht vor den Glastüren des Salons rum, denn dann sieht sie euch.«
»Können wir uns auch drinnen umsehen?«, fragt Karim mit aufblitzenden Augen.
»Lieber nicht. Höchstens in der Halle, wenn ihr schön leise seid!«
Aber in der Halle gibt es nichts zu sehen, da waren sie schon. Sie beschließen, sich erst einmal den Garten anzuschauen.
Draußen ist es nicht kalt, aber Lenne hat bald keine Lust mehr. »Nur ein Haufen alter Krempel«, stellt sie fest. »Sieh mal die Statuen da, die sind alle beide geköpft.«
»Madam Rumpelpumpel hat wahrscheinlich kein Geld, um die Köpfe wieder aufsetzen zu lassen.«
»Und all diese … was sind das, Blumenkübel?«
Karim schaut sich um. Hier und da stehen weiße Steintöpfe, vom Alter grün verfärbt und teilweise in Stücke zersprungen. »Da haben sie früher wohl Blumen reingepflanzt. Ich glaub, dass es hier früher mal sehr schön gewesen sein muss.« Er schlendert an einer steinernen Brüstung entlang, die eine Terrasse einsäumt. »Stell dir mal vor, hier haben Liegestühle und Gartenstühle und so gestanden, und dann haben sie hier … Cocktails getrunken – oder wie heißen die Dinger?«
Lenne nickt. »Als Madam Rumpelpumpel jung war, war das vielleicht so. Aber das meiste ist hier auf jeden Fall viel älter. Ich denke mal, dass sogar ihre Ur-Ur-Urgroßmutter schon hier gelebt hat, und da haben sie dieses Zeug noch nicht getrunken. Damals haben sie … was haben die eigentlich getrunken?«
»T ee?«
»Wein?« Lenne zuckt mit den Schultern. »Und sie sind hier in langen Kleidern mit Spitzenkragen rumgelaufen, und wenn sie irgendwo hinwollten, ist eine Kutsche vorgefahren.« Sie zeigt auf ein Bürogebäude, das in einiger Entfernung mit spiegelnden Fenstern über die Dächer das Dorfs hinausragt. »Und das hat es auch noch nicht gegeben. Wenn du von hier aus in diese Richtung geguckt hast, hast du nur die roten Dächer und den Kirchturm gesehen.«
»Und nachts hast du überhaupt nichts gesehen, denn es gab noch keine Straßenlaternen.«
»V ielleicht ein paar Fenster, hinter denen Licht war.«
»V ielleicht. Oder es war einfach stockdunkel.«
»Im Haus selbst natürlich auch, da hat dann ein Herdfeuer gebrannt.«
Mit schief gelegtem Kopf betrachtet Karim das Haus. »Wann ist das eigentlich mit dem Gaslicht losgegangen?«
»Was weiß ich. Davor hatten sie Fackeln.«
»Ach, nein!«
»Ist wohl wahr!«
»So alt ist das hier doch nicht.«
»Wetten?«
»V ielleicht steht irgendwo eine Jahreszahl«, meint Karim und will schon um das Haus herum zur Vorderseite gehen.
Doch Lenne packt ihn an der Jacke. »Bloß nicht, so kommst du an den Gartentüren des Salons vorbei!«
»Na ja, da hast du auch wieder recht. Ein paar Hundert Jahre alt, das auf jeden Fall. Aber da sind offensichtlich immer wieder Sachen angebaut worden. Guck dir mal die Steine da an, die haben eine ganz andere Farbe.«
»V ielleicht ist die Familie immer reicher und reicher geworden.«
»Und die Mode hat sich offenbar auch verändert.«
»Die Mode?«, wiederholt Lenne.
»Na, wie man baut, wie heißt das?«
»Der Stil?«
Karim nickt. »Die Fenster da in der dunklen Wand sehen ganz anders aus, siehst du das? Viel kleiner. Die sind aus einer anderen Zeit als die hohen Fenster.«
»Ob man das von drinnen sehen kann?« Lenne geht zurück zur Küchentür.
Gertrud sitzt nicht mehr am Holztisch. Sie ist wohl wieder an die Arbeit gegangen, denkt Lenne, sonst kriegt sie noch eins aufs Dach.
Durch die Küche kommt sie wieder in den langen Flur, wo der Boden im Gegensatz zur Halle nicht schwarzweiß, sonder viel grober und dunkelrot gefliest ist.
»Du kannst gut recht haben«, sagt Lenne. »Der ist auch aus einer anderen Zeit als der andere. Ich finde die schwarz-weißen Fliesen viel schöner, auf denen kann man hickeln, guck … so.« Lenne
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