Hexenheide
ist das denn jetzt? Sonst springt er immer sofort hinterher!«
Lennes Augen suchen die von Karim, und er sieht die Unruhe in ihnen. Karim läuft los, am Wasser entlang. »Ja, gehen wir wieder«, sagt er so locker wie möglich.
»Ich weiß nicht, ob Kees schon genug geschwommen ist«, hält Malika dagegen. »Meistens kann er gar nicht genug davon bekommen.«
Doch Kees, der bemerkt hat, dass Karim und Lenne schon den Heimweg eingeschlagen haben, drängt sich an ihnen vorbei und rennt voraus.
»Na hör mal!«, ruft Malika zum zweiten Mal.
»Jetzt komm schon!«, fordert Lenne Malika auf. »Bleib nicht da am Wasser stehen!«
»Mensch, sag mal«, fragt Malika verblüfft, »was war das den für ein Mordsbiest von Ratte, dass ihr euch deswegen so fürchterlich erschreckt? Ich hab den Hund noch nie so bescheuert erlebt.« Sie geht ein paar Schritte in ihre Richtung und bleibt dann wieder stehen. »He … Kees! Kees! Warte!«
Der Hund läuft weiter.
»Jetzt geh doch auch mal weiter!«, schreit Lenne Malika an. Sie starrt auf das Mädchen und das Wasser, das gerade wieder anfängt zu strudeln. Kleine Wellen schlagen gegen das Ufer. Sie knabbern am Sand und kommen hinterhältig näher wie die ausgestreckten Finger vieler Hände.
Malika zuckt mit den Schultern und kommt kopfschüttelnd hinter ihnen her.
Sobald sie in Lennes Reichweite ist, packt sie Malika am Ärmel ihrer Jacke und zieht sie hinter sich her vom Wasser weg. »Bist du immer so langsam!«
»Was führt ihr euch alle beide denn so komisch auf? Mensch, warum zerrst du so an mir rum? He, ich kann ja wohl auch selber laufen!« Malika stolpert beinahe über Karims Füße. Aber Lenne lässt erst los, als sie ein ganzes Stück vom Wasser weg sind und wieder auf dem Sandweg stehen, wo der Hund mit eingekniffenem Schwanz auf sie wartet.
»Pfui, Kees!«, schimpft Malika mit ihm. »Warum hörst du denn nicht?« Sie beugt sich zu ihm hinunter.
Der Hund winselt leise.
»Der ist doch total verschreckt!«, blafft Lenne Malika an. »Jetzt sei mal nicht so böse mit ihm!«
»Er muss aber einfach gehorchen«, antwortet Malika. »So ein großer Hund muss immer auf Befehle reagieren. Sonst kann er doch mal gefährlich werden.«
»Weißt du, was gefährlich ist …« Lennes Stimme überschlägt sich, und sie spricht den Satz nicht zu Ende, sondern schaut noch einmal zurück zu der Stelle, von der sie gerade gekommen sind.
»Der muss einfach wissen, wer der Herr ist«, beharrt Malika unerschütterlich, nimmt den großen Hundekopf zwischen ihre Hände und sagt noch einmal laut und deutlich: »Pfui!«
Kees setzt sich hin und sieht mit großen Augen treuherzig zu ihr hoch.
»Er ist brav«, sagt Lenne sanft und streichelt Kees ein bisschen.
»Ja, ja.« Malika lächelt schon wieder, sie kann dem treuherzigen Augenaufschlag des Hundes auch nicht länger widerstehen. »Jetzt bist du wieder brav, was, Kees? Dann komm jetzt.«
Aber Kees geht erst mit, nachdem er sich doch noch einmal knurrend zum Schilf hin umgedreht hat.
9
Nachdem sie sich von Malika bei ihrem Haus verabschiedet haben, schlendern Lenne und Karim die Straße entlang.
»Was war das, Lenne?«, fragt Karim, der dicht neben ihr geht. »Da im Wasser … das war keine Ratte, oder?«
Lenne beißt die Zähne zusammen und schweigt.
»Ich hab es auch gesehen«, sagt Karim. »Zumindest hab ich gesehen, wie sich das Wasser bewegt hat.« Er sieht seine Freundin von der Seite abwartend an.
»Es war keine Ratte.« Lennes Gesicht bleibt verschlossen.
Trotzdem probiert Karim es noch einmal. »Was hast du denn gesehen?«
Lenne bleibt stehen und wirft Karim einen hilflosen Blick zu. In ihren Wimpern hängen Tränen, die sie wegzublinzeln versucht.
»War es etwas … Unheimliches?«
Lenne flüstert eine Antwort, aber sie ist so leise, dass es sich wie ein Seufzen anhört.
»Was?«
»Ein Gesicht«, wiederholt Lenne. »Ich hab ein Gesicht im Wasser gesehen.«
»Ein Gesicht?« Karim bleibt der Mund offen stehen. »V on wem?«
»Woher soll ich das denn wissen!«
»Aber … was war das für ein Gesicht?«
»Ein Frauengesicht.«
Karim hält den Atem an. »Die Frau mit den weißen Haaren?«, rät er.
Aber Lenne schüttelt den Kopf. »Nein, die war es nicht.«
»Dann die Frau mit den roten Haaren?«, fragt Karim.
»Wer? Von wem redest du jetzt schon wieder?«
»Die Frau mit den roten Locken, du weißt schon, die mit dem schwarzen kleinen Hund? Der kleine Hund, der sich in eine Krähe
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