Hexenjagd
bleiben, bis sie sich sicher fühlte? Sicher wovor? Vor den Hexenverfolgern? Oder vor ihrem Verlobten? Oder hatte er bloß die Gunst der Stunde nutzen wollen, weil sie ihm in diesem Moment so verwirrt und schutzlos erschien, dass er glaubte, sein Vorschlag würde mit Dankbarkeit angenommen und angemessen entlohnt werden? Ja, das konnte sie schon eher glauben. Er war ein Wolf im Schafspelz – nach außen hin ein freundlicher, hilfsbereiter Mensch, in dessen Innerem sich ein skrupelloses, Seelen fressendes Ungeheuer verbarg!
„Was ist mit deiner Mutter?“, fragte Verena nach einiger Zeit. Die Stille im Raum zerrte an ihren Nerven. Und weil Celiska offensichtlich nicht mehr über Victor – wer auch immer das sein mochte! – reden wollte, musste jetzt ein neues Thema her. „Warum willst du nicht mit ihr reden? Sie hat mir erzählt, dass sie ein paar Mal hier war, aber du hättest sie nicht sprechen wollen. Sie erschien mir sehr traurig darüber.“
Wieder vergingen Minuten des Schweigens, ohne dass Celiska irgendeine Regung gezeigt hätte.
„Ich muss jetzt gehen“, murmelte Verena schließlich. „Es ist spät.“
„Warte noch einen Augenblick.“ Celia zwang ihre Gedanken in die Gegenwart zurück, in der jetzt eine Entscheidung von ihr erwartet wurde. „Ich muss nur ein paar Zeilen schreiben. Wenn du den Brief an Nicholas gleich mitnimmst, hätten wir diese Sache schon mal geklärt.“ Mit diesen Worten stand sie auf, um dann am Tisch stehend ein paar Worte auf ein Blatt zu kritzeln. Sie faltete den Brief zusammen und lächelte Venice dabei voller Wärme an. „Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu sehr verwirrt“, sagte sie entschuldigend. „Wie auch immer und für wen du dich auch entscheidest, es hat nichts mit mir zu tun.“ Die Freundin liebevoll umarmend, verspürte sie plötzlich so etwas wie Bedauern darüber, dass man sie wieder allein lassen wollte. „Komm bald wieder“, bat sie. „Ich freue mich, mit dir plaudern zu können. Es ist manchmal ziemlich einsam hier.“
„Einsam? Sagte sie wirklich einsam?“ Rebekka wollte es kaum glauben. Als fürchte sie, nicht richtig verstanden zu haben, spulte sie das Band in dem winzigen Diktiergerät wiederholt zurück, um sich die betreffende Stelle noch einmal anzuhören. Tatsächlich! Sie hatte doch richtig gehört. „Na, wenn das so ist“, führte sie ihr Selbstgespräch fort, „dann ist das Kloster wohl doch nicht das Richtige für dich.“
Vincent registrierte die Veränderung sofort und konnte seine Freude darüber nicht in Worte fassen. Wie man Celiska die Sache klar gemacht hatte, wollten weder Rebekka noch Verena verraten. Aber das war auch gar nicht nötig, gestand er sich ein. Viel wichtiger war für ihn, dass er nicht länger wie ein grauenvolles Gespenst angesehen wurde, dessen Anblick man sich durch eine Ohnmacht ersparen musste – auch wenn man ihn immer noch mit einer gewissen Scheu und manchmal auch offener Ablehnung anstarrte. Er wusste, das war ein kleiner Erfolg, aber noch lange nicht das Ende des schwierigen Weges. Und so mied er weiterhin eine bewusste Konfrontation, weil Rebekka geraten hatte, erst einmal abzuwarten. Celiska sollte sich an den Gedanken gewöhnen, dass sie sich nicht schuldig gemacht hatte, ihr vermeintliches Opfer also quicklebendig umher spazierte.
Celia begann immer öfter die schützende Enge ihrer Zelle zu verlassen, weil sie sich nach menschlicher Gesellschaft sehnte. Dabei traf sie immer wieder auf Leute, die sich eindeutig nicht so verhielten, wie sich ein normaler Mensch benehmen sollte, im Grunde aber nicht wirklich verrückt schienen. Der Gästetrakt des Klosters war offenbar zum Teil auch eine Art Krankenstation, wo man geistig Verwirrten Beistand gewährte, damit sie nicht gleich in ein Irrenhaus gesperrt würden. Also bot sie ihre Hilfe an und durfte daraufhin wieder Tee austeilen und andere kleinere Arbeiten übernehmen, wobei sie Senta tunlichst aus dem Wege ging. Dennoch wartete sie mit stetig wachsender Ungeduld auf das nächste Erscheinen ihrer Freundin Venice.
17
„Celiska? Sie haben Besuch. Möchten Sie nicht in den Aufenthaltsraum kommen?“, fragte Rebekka freundlich.
„Celia“, berichtigte die Angesprochene automatisch, stand jedoch gehorsam auf.
„Es wird Sie sicher freuen“, überging die Ärztin den Einwurf ihrer Patientin, hakte sich bei ihr ein und zog sie mit sich, „dass Ihr Verlobter gekommen ist. Ein hübscher junger Mann übrigens. Sieht wirklich sehr gut aus, das
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