Hexenjagd
muss man ihm schon lassen. So groß! Und so gut gebaut. Und diese Schultern!“
Celia konnte einfach nicht begreifen, wie die Äbtissin dazu kam, so über einen Mann zu reden, wo sie sich doch als Ordensfrau zu Keuschheit und völliger Entsagung entschlossen hatte. Sicher, sie war nicht alt. Aber sie war auch kein junges Mädchen mehr, welches beim Anblick eines hübschen Mannes in Verzückung geraten und kichernd sein Wohlgefallen kundtun durfte! Außerdem war sie doch eine Braut Christi und beging mit ihrer schamlosen Schwärmerei zumindest eine Sünde, wenn nicht gar Verrat an ihrer Berufung als Nonne!
„Sie sprechen unziemlich“, tadelte sie leise.
„Warum?“, tat Rebekka verständnislos. „Es ist doch nicht schlimm, über die Schönheit der Menschen zu sprechen. Auch wenn wir hier sehr abgeschieden leben, haben wir uns doch nicht völlig von der Außenwelt abgekapselt. Wir sind durchaus am normalen Leben der Leute interessiert.“
Celiska schwieg.
Sie sagte auch nichts, während sie Nils gegenübertrat.
Erst als er Anstalten machte, die Arme um sie zu legen, zeigte sich eine erste Regung auf ihrem fein konturierten Gesicht. Mit einem Mal stand offene Ablehnung in den grünen Augen. Sehr aufrecht trat sie zwei Schritte zurück und brachte sich so in gebührenden Abstand zu dem Mann, der ihr vertraut und völlig fremd zugleich war und den sie nicht länger als ihren Verlobten ansah.
„Venice hatte doch ein Schreiben für dich“, sagte Celia tonlos. „Hat sie es dir nicht gegeben?“
„Venice? Wer ist das?“, fragte Nils erstaunt. „Und was für ein Schreiben? Celiska! Wovon redest du denn?“
„Celia“, korrigierte sie. „Ich habe Venice einen Brief mitgegeben, damit du nicht vergeblich wartest. Offensichtlich hat sie es aber versäumt, ihn zu übergeben, also werde ich es dir jetzt selbst sagen müssen. Ich fordere mein Wort zurück.“ Ohne auf seine verblüffte Miene einzugehen, fuhr sie unbeirrt fort: „Ich kann nicht deine Frau werden. Ich möchte, dass du mich freigibst.“ Geschafft, dachte sie erleichtert. Sie hatte es endlich geschafft, ihren eigenen Willen laut kundzutun. Sie würde sich nicht wieder überreden oder zu etwas drängen lassen! Und erpressen ließ sie sich auch nicht mehr, denn er würde bestimmt keinen Selbstmord begehen, nur weil sie ihn nicht heiraten wollte. So wie sie ihn kannte, war sein Bett in der Zwischenzeit garantiert nicht kalt geworden. „Du kannst dich getrost nach einer anderen Frau umsehen“, erklärte sie. „Ich werde ohnehin nicht mehr zurückkommen, weil ich nämlich hier bleibe.“
Nils brauchte eine geraume Weile, um zu verstehen, und atmete am Ende erleichtert auf. Man hatte ihn her zitiert, erinnerte er sich, weil man angeblich seine Unterstützung brauchte. Zugleich war ihm gesagt worden, dass Celiska ihn womöglich nicht erkennen oder ihn mit einem anderen Namen ansprechen würde. Warum das so war, hatte ihm niemand erklärt, weil er auch nicht nachgefragt hatte. Dennoch war er nun heilfroh, gekommen zu sein, denn jetzt war es endlich ausgestanden. Sicher, er hätte die Verlobung längst lösen können. Aber das hätte kaum jemand verstanden, geschweige denn als akzeptabel bewertet. Seine kranke Verlobte abzuschieben, eben weil sie krank war, war in der Tat nicht gentleman-like. Aber jetzt war alles gut, denn sie selbst verlangte die Trennung, was zwar nicht unbedingt schmeichelhaft, aber doch ungemein befreiend war. „Wenn es wirklich das ist, was du willst, werde ich deinen Willen akzeptieren.“ Sprach’s und war auch schon auf dem Weg zur Tür.
„Und jetzt?“, ertönte eine Stimme, als Nils verschwunden war.
Celia drehte sich erschrocken um und entdeckte die Äbtissin in einer Ecke des Raumes, wo sie das Gespräch offenbar die ganze Zeit über belauscht hatte.
„Was tun Sie jetzt?“, fragte Rebekka leise.
„Ich …“ Die junge Frau schluckte sichtlich. „Ich weiß nicht. Ich muss darüber nachdenken. Ich bin mir nicht sicher …“
Die Psychiaterin beschloss, zunächst einmal abzuwarten, denn vorerst konnte sie durchaus zufrieden sein. Die Patientin hatte einen großen Schritt gewagt, indem sie sich zum ersten Mal offen widersetzte. Wenn man sie jetzt unter Druck setzte, würde sie vermutlich wieder in den alten Trott zurückfallen, weil es immer angenehmer war, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, als sich seinen eigenen Weg mühsam zu erkämpfen. Die Kleine sollte sich ihren kleinen Sieg erst einmal
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