Hexenjagd
verdeutlichen. Erst wenn sie sich darüber freuen konnte, würde sie bereit sein, weitere Schritte zu unternehmen. „Kann ich jetzt zurück in mein Zimmer?“, hörte sie Celiska fragen und nickte automatisch. Aber erst als die junge Frau den Raum verlassen hatte, wurde ihr bewusst, dass ihre Patientin zum ersten Mal Zimmer statt Zelle gesagt hatte.
*
„Ich halte das für keine gute Idee.“
„Aber warum denn nicht?“ Celia war maßlos enttäuscht. „Was spricht denn dagegen? Bin ich nicht geeignet? Oder …“ Sie wusste nicht weiter. Dass man ihre Bitte rundweg ablehnen könnte, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
„Weil Sie sich selbst nicht sicher sind“, erklärte Rebekka. „Momentan fühlen Sie sich vielleicht wohl hier, weil Sie sich beschützt und geborgen fühlen. Aber mittlerweile hat sich draußen viel verändert. Man verfolgt Sie nicht mehr als Hexe. Und die Verlobung ist auch gelöst. Warum wollen Sie dann immer noch hier bleiben? Ich verstehe es nicht. Sie sind doch noch so jung.“
Celia bedachte das Gesagte sehr gründlich. Die Äbtissin hatte schon Recht, musste sie schließlich zugeben. Aber das Kloster war die einzige Alternative. Wenn sie sich entschließen würde zu gehen, wüsste sie ja gar nicht, wohin. Die Mutter hatte ihr zwar ausrichten lassen, sie könne jederzeit nach Hause kommen. Aber das wollte sie nicht, weil sie sich ausmalen konnte, was dort auf sie wartete. Und dann war da noch ein Grund, aus dem sie sich hinter den dicken Klostermauern versteckte. Victor! Er war immer noch dort draußen und wartete nur darauf, sie wieder in seinen Bann zu ziehen. Selbst vor den Nonnen schien er keinen Respekt zu haben, denn er kam täglich ins Kloster, nur um ihr zu zeigen, dass er keineswegs gewillt war, sie in Ruhe zu lassen. Es gab nur diese eine Möglichkeit. Wenn er sah, dass sie die Ordenstracht trug, musste er akzeptieren, dass sie ihm niemals gehören konnte.
„Aber ich möchte doch so gern Gott dienen“, wisperte sie tonlos.
„Das können Sie auch in der Welt dort draußen“, erwiderte Rebekka fest. „Vielleicht sogar mehr, als wenn Sie sich hier hinter dicken Mauern vergraben und Ihre eigentliche, gottgegebene Aufgabe einfach verleugnen.“ Sie bemerkte, dass ihre Patientin zusammenzuckte, und war sich nun ganz sicher, die einzig richtige Antwort auf deren Bitte formuliert zu haben. „Um sich derart vom Leben abzukapseln, muss man schon mehr mitbringen als nur den Wunsch, in einem Kloster zu leben“, erklärte sie sanft. „Sie haben doch das eigentliche Leben noch gar nicht richtig ausprobiert. Sie können doch gar nicht sicher sein, dass es Ihnen nicht gefallen würde. Vielleicht wartet schon ein junger Mann auf Sie, mit dem Sie ein neues Leben beginnen könnten.“ Dass die grünen Augen mit einem Mal voller Angst schienen, beeindruckte sie überhaupt nicht. Sie konnte Celiskas Gedankengänge mittlerweile nachvollziehen und sogar verstehen. Aber sie wollte sie keinesfalls in ihren Wahnvorstellungen bestärken.
„Ich will aber keinen Mann“, kam denn auch die prompte Erwiderung.
„Warum nicht?“, hakte Rebekka sofort nach.
„Weil … weil …“ Celia schluckte schwer. „Es ist doch unwichtig. Ich will einfach nicht! Ist das denn so schwer zu begreifen?“ Langsam wurde es ihr zu viel. Warum musste sie dauernd ihre Entscheidungen rechtfertigen? Und warum ritt die Äbtissin ständig auf diesem Thema herum? Es war eben so, und damit basta!
„So“, stellte Rebekka nun ruhig fest. „Und solange Sie mir dafür keine Erklärung geben können, kann ich Ihrer Bitte nicht nachkommen. Es wird alles beim Alten bleiben, solange Sie sich nicht selbst sicher sind!“
„Aber ich bin mir sicher“, stieß Celia verzweifelt hervor. „Ich will hier bleiben! Ich kann nicht weg! Warum will mich denn niemand verstehen?“
„Warum können Sie nicht weg?“, bohrte Rebekka gnadenlos. „Niemand hält Sie hier fest. Sie können jederzeit gehen“, versicherte sie ernst. „Aber das wollen Sie gar nicht, nicht wahr? Sie verstecken sich hier, weil Sie zu feige sind, in der Welt da draußen zu leben“, unterstellte sie in anklagendem Ton, wohl wissend, dass Celiskas emotionaler Stress sie jederzeit ausrasten lassen konnte. Und genau darauf wartete sie! „Aber dies hier ist kein Versteck. Wir nehmen nur Frauen auf, die sich mit ihrer Umwelt ausgesöhnt und eine endgültige Entscheidung getroffen haben.“ Lächerlich, dachte sie im selben Moment. Eine Aussage wie diese
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