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Hexenjagd

Hexenjagd

Titel: Hexenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katica Fischer
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Sie nicht zugeben, dass Sie sich zu Victor hingezogen fühlen, ohne diese Tatsache als Teufelswerk zu bezeichnen? Es ist keine Sünde, einen Mann zu begehren. Die Menschheit wäre schon lange ausgestorben, würden wir diese Regung als Sünde betrachten und unterdrücken. Glauben Sie wirklich, Gott gibt uns solche Gefühle ein, damit wir sie ignorieren und seinem Willen zuwiderhandeln? Ich denke, er hat sich was dabei gedacht, als er Männlein und Weiblein geschaffen hat.“
    „Sie …!“
    Rebekka war nicht im Mindesten beeindruckt, obwohl sich Celiska drohend vor ihrem Schreibtisch aufgebaut hatte, um ihr Gegenüber voller Empörung und Zorn anzufunkeln. So musste der Erzengel dreingeschaut haben, als er Adam und Eva aus dem Paradies hinauswarf, dachte Rebekka.
    „Sie wagen es“, schrie Celia unterdessen aufgebracht, „solche Dinge auszusprechen! Wo Sie doch … wo Sie …“ Ja, was? Was war die Frau wirklich? Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einer Nonne, geschweige denn mit einer Klostervorsteherin! Das Kleid hatte zwar die richtige Farbe, verdeckte aber nicht den ganzen Körper, wie es eigentlich sein sollte. Man konnte die Waden sehen und nackte Arme bis zu den Schultern hinauf. Auch das brünette Haar war nicht unter einer Haube verborgen, sondern fiel in weichen Wellen um das freundliche Gesicht, welches eindeutig geschminkt war – eine Ordensfrau wäre für ihr Leben nicht darauf verfallen, Lippenstift zu gebrauchen!
    Für einen kurzen Moment meinte Celia zu träumen, denn ihre unmittelbare Umgebung schien sich mit einem grauen Nebel zu überziehen, nur um im nächsten Augenblick mit überdeutlicher Klarheit wieder vor ihren Augen zu erscheinen. Plötzlich schien alles irgendwie anders zu sein – viel heller. Und die Farben wirkten viel intensiver – der lächelnde Mund ihres Gegenübers war feuerrot.
    „Sie sind keine Äbtissin“, sagte sie rau. „Sie sind auch nur eine normale Frau, so wie ich auch.“ Sie wollte sich abwenden, wurde jedoch von der Fremden aufgehalten, die sich blitzschnell erhoben hatte, um sich ihr in den Weg zu stellen.
    „Wo wollen Sie hin?“, fragte Rebekka mit strenger Stimme.
    „Raus hier“, antwortete Celia unwirsch. „Sie haben mich in dem Glauben gelassen, Sie wären die Klostervorsteherin. Aber das sind Sie nicht! Ich will …“ Als wäre sie bisher blind gewesen, schaute sie sich aufmerksam um und begann allmählich zu begreifen, dass die Kammer, die sie bisher für das Arbeitszimmer der Äbtissin gehalten hatte, ganz und gar nichts Sakrales an sich hatte. „Und das hier ist auch kein Kloster, nicht wahr?“, fragte sie betroffen.
    Weil die Fremde keine Antwort gab, sondern bloß merkwürdig dreinschaute, ging Celia um sie herum und verließ den Raum, um sich hinter der Tür genauer umzusehen. Wie eine Schlafwandlerin setzte sie einen Fuß vor den anderen, während ihre Augen die unmittelbare Umgebung erforschten und ihr Geist versuchte, die Dinge richtig zu begreifen und einzuordnen: Die hellen, sehr funktionell eingerichteten Räume waren ihr vertraut und doch wieder fremd, denn jetzt wirkten sie alle sehr licht und luftig. Auch die Menschen, denen sie unterwegs begegnete, waren ihr bekannt, obwohl ihre Erscheinung nun ganz anders anmutete als nur eine Stunde zuvor. Selbstverständlich wusste sie jetzt, dass sie sich nicht im Krankentrakt eines Klosters, sondern in einer anderen Einrichtung befand. Aber wo? War das hier vielleicht das Privathaus einer vermögenden Lady? Vielleicht das Anwesen dieser Frau, mit der sie gerade geredet hatte? Ja, entschied sie. So musste es sein. Diese Lady – wie nannten sie die Leute noch? Rebekka? Ja, Rebekka! Lady Rebekka hatte hier das Sagen, also war sie auch die Herrin dieses – privaten Pflegeheims. Und so wie es aussah, hatte sie nichts Besseres zu tun, als Kranke bei sich aufzunehmen, um sie gesund pflegen zu lassen? Aber sie – Celia – war doch nicht krank. Weder geistig noch körperlich! Oder doch? Nein, beschloss sie. Es musste einen anderen Grund für ihren Aufenthalt in diesem Gebäude geben. Möglicherweise wollte man sie nur eine Weile beobachten, um herauszufinden, was es mit ihren unerklärlichen Ohnmachtsanfällen auf sich hatte.
    Der Blick in ein kleines, fensterloses Zimmer ließ Celia jäh stehen bleiben und ihre Überlegungen vergessen, denn das Bild, das sich ihren Augen bot, war ihr zunächst unbegreiflich: Am Boden saß Victor, eine zusammengekrümmte Gestalt in seinen Armen haltend, derweil er

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