Hexenjagd
vorhat?“
„Was hat er denn vor?“, reagierte die Ärztin prompt.
„Er sucht doch bloß sündige Lust!“ Celia fühlte ohnmächtigen Zorn in sich aufwallen. „Dabei ist es ihm ganz egal, was später aus seiner jeweiligen Gespielin wird. Selbst vor einer Frau, die ihr Wort an einen anderen vergeben hat, macht er nicht Halt.“
„Was hat er Ihnen angetan?“ Die Psychiaterin betrachtete voller Interesse das hochrote Gesicht ihrer Patientin, so dass ihr auch die kleinste Regung darin nicht entgehen konnte. „Hat er Sie etwa in sein Bett gezwungen?“
„Nein, er …“ Celia schluckte schwer. „Er … ich …“ Plötzlich konnte sie den eindringlichen Blick der Äbtissin nicht mehr ertragen. Also wandte sie sich brüsk ab und starrte dann lange Zeit stumm an die gegenüberliegende Wand. „Er hat mich geküsst“, murmelte sie schließlich heiser. „Aber sein teuflischer Geist hat in mir sündige Wünsche geweckt.“ Wenn das kein Beweis für seine wahre Identität war, dann würde man ihn nie entlarven, dachte sie unglücklich. „Er hat mich beinahe dazu gebracht, ihm nachzugeben, obwohl ich mit Nicholas verlobt war. Nur weil ich mich gegen ihn gewappnet habe, ist es ihm nicht gelungen.“
„Womit haben Sie sich geschützt?,“ wollte Rebekka wissen.
„Mein Gottvertrauen hat mich geschützt“, erwiderte Celia leise. „Im rechten Augenblick habe ich mich an die Gebote des Herrn erinnert. Und da konnte er meinen Willen nicht mehr beeinflussen. Dank meines Glaubens habe ich mir mein Seelenheil bewahrt.“ Sie stand auf und begann eine unruhige Wanderung durch den Raum, wobei sie mit beiden Händen ihr Kruzifix umklammert hielt.
Rebekka schwieg, während ihr Blick voller Mitleid der dünnen Gestalt folgte, die nun hektisch auf und ab lief. Die Kleine vermischte eindeutiges Wunschdenken mit durchaus realen Vorkommnissen, erkannte sie. Nur dass ihre Wunschträume unweigerlich ein starkes Schuldgefühl nach sich zogen, weil sie mit diesen Dingen nicht umgehen konnte. Es mochte an der Erziehung liegen, vermutete sie, konnte aber durchaus auch ein charakterliches Merkmal sein. Viele Menschen entwickelten übertrieben strenge Moralansichten, weil sie mit den eigenen Wünschen und oft sehr intensiv empfundenen körperlichen Bedürfnissen nicht zurechtkamen. So schien es auch bei Celiska zu sein. Wenn man sich die gewonnenen Erkenntnisse einmal genau ansah, dann war sie alles andere als ein kalter Fisch. Weil sie sich aber lieber in der Rolle einer gottgefälligen und daher über jegliche Sünde erhabenen Möchtegern-Heiligen gefiel, hatte sie sich einen Sündenbock gesucht, dem sie all das unterjubeln konnte, was sie nicht als eigene Phantasie akzeptieren wollte.
„Warum erlauben Sie ihm, hier zu sein?“, unterbrach Celiskas Stimme schließlich die Stille. „Ich meine, warum darf er hier ein- und ausgehen?“
„Weil er uns dabei unterstützt, den armen Menschen zu helfen“, antwortete Rebekka ruhig. „Wenn Sie sich nicht ständig in Ihrem Zimmer verkriechen würden, hätten Sie schon lange mitbekommen, dass er täglich hier erscheint, um die Leute zu umsorgen und zu betreuen.“ Mit einem Mal fest entschlossen, nicht mehr geduldig darauf zu warten, dass sich die Dinge von selbst entwickelten, wollte sie so bald wie möglich einen weiteren Erfolg erzielen. Also setzte sie eine herablassende Miene auf, während sie fortfuhr: „Es fällt mir wirklich schwer zu glauben, dass dieser herzensgute Mensch ein Teufel oder sonst ein Ungeheuer sein soll. Ich denke, Sie haben sich da in eine irrige Idee verrannt, weil Sie nicht zugeben wollen, dass er Ihnen gefällt.“ So, Kleine, dachte sie, nun mach was daraus. Auch wenn du mich jetzt anguckst, als ob du mich fressen wolltest, werde ich dir keine Ruhe mehr lassen! „Er ist ein ganz normaler Mann“, fuhr sie ruhig fort. „Selbstverständlich schaut er jede hübsche Frau an, so wie Sie das Recht haben, einen Mann anzusehen. Jeder Mensch schaut sich andere Menschen an. Soviel ich weiß, muss man sogar manchmal sehr genau hinsehen, bevor man sich für einen Partner entscheidet! Wenn Sie aber schon das Schauen als Sünde betrachten, glaube ich, haben Sie die Bibel und die Gebote gründlich missverstanden. Oder wollen Sie einfach bloß einen Schuldigen vorschieben, damit Sie nicht zugeben zu müssen, dass die Wünsche, die Sie doch eindeutig haben, Ihrem eigenen Kopf entstammen?“, stachelte sie den offensichtlichen Zorn der jungen Frau an. „Warum können
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