Hexenjagd
sich sachte hin und her bewegte, was an die Schaukelbewegung einer Mutter erinnerte, die ihr Baby in den Schlaf wiegen wollte. Die Wange an den Kopf des jämmerlich weinenden jungen Mannes gelehnt, streichelte er immerfort über dessen Haar und schien beständig auf ihn einzureden, doch konnte man nichts hören, weil die Tür fest verschlossen war.
Nein, erkannte sie endlich, ein Mensch, der sich so liebevoll und aufmerksam um einen Mitmenschen kümmerte, konnte gar kein Teufel sein. Ein Ungeheuer hätte sich an der Hilflosigkeit und dem körperlichen Verfall eines Sterblichen ergötzt, aber keinesfalls Anteilnahme gezeigt oder Hilfe geleistet!
*
„Wieso denn?“, fragte Vincent entnervt. „Warum kannst du mir nicht sagen, was du vorhast? Seit einer Woche hatten wir keine Besprechung mehr. Ich möchte wissen, was vorgeht! Sie geht mir immer noch bewusst aus dem Weg. Als ob ich eine ansteckende Krankheit hätte, die sie selbst über zehn Meter Entfernung bekommen könnte.“
„Warum willst du alles so genau wissen?“, fragte Rebekka ruhig. „Sie ist weder eine nahe Verwandte, noch hast du sonst was mit ihr zu tun. Hast du mir selbst gesagt. Sie ist die Ex-Verlobte deines Bruders. Also eine ganz gewöhnliche Frau, die du bloß durch Zufall kennst!“ Sie wollte ihn provozieren, weil er sich so zugeknöpft und unnahbar gab, wenn sie nach seinen Gefühlen forschte. Normalerweise war sie nicht indiskret, wenn es um seine privaten Belange ging, aber sein Verhalten ärgerte sie, weil sie meinte, für dumm verkauft zu werden. Außerdem war sie auch ein bisschen beleidigt, weil er nicht genügend Vertrauen zu ihr zu haben schien, um ihr endlich die Wahrheit zu sagen.
Vincent war bisher ruhelos in dem kleinen Raum umhergelaufen. Doch nun blieb er abrupt stehen. Die Unterlippe zwischen die Zahnreihen geklemmt, sah er sein Gegenüber mit gerunzelter Stirn an und wusste nicht recht, was er sagen sollte.
„Es ist mir wichtig, weil … Sie ist … Ach, verdammt noch mal!“, schimpfte er plötzlich los. „Ich mach mir einfach große Sorgen um sie, das ist alles.“ Er bemerkte die skeptische Miene der Ärztin und wandte sich schnell ab. „Mein hirnloser Bruder hat sie in diesen Schlamassel hineingeritten und sie dann einfach im Stich gelassen“, erklärte er nun mit belegter Stimme. „Also versuche ich jetzt, ein bisschen Wiedergutmachung zu leisten, mehr nicht.“
„Warum gibst du nicht einfach zu, dass du sie liebst?“, fragte Rebekka leise.
Weil Vincent sich mit einer unbeherrschten Bewegung wieder zu ihr umdrehte und zu einer angriffslustigen Erwiderung ansetzte, bedeutete sie ihm mit einer herrischen Handbewegung zu schweigen.
„Nicht“, sagte sie schnell. „Keine Ausflüchte oder Lügen bitte. Ich bin weder blind noch bescheuert. Deine Anteilnahme an dem Schicksal dieser jungen Frau geht weit über ein normales Maß hinaus. Ich kenne dich jetzt lange genug, um zu wissen, dass du an dieser Frau ernsthaft interessiert bist. Keine hat dich bisher so aus der Fassung gebracht wie sie, also erzähl mir nichts vom Pferd!“ Augenblicklich sah sie das markante Gesicht ihres Gegenübers heftig erröten und lächelte leicht. „Na also“, stellte sie befriedigt fest, „das wäre also geklärt. Jetzt kannst du vielleicht auch verstehen, warum ich nicht mit dir über sie reden will. Sie macht Fortschritte, aber das ist auch alles, was du von mir erfahren wirst. Du weißt, manchmal bin ich gezwungen, nicht gerade zimperliche therapeutische Methoden anzuwenden. Um dir Ängste zu ersparen, sage ich dir nicht, was ich mit ihr mache. Alles klar? Wenn ich es nämlich täte, würde ich erstens ihr Vertrauen missbrauchen, weil sie mir Dinge erzählt, die normalerweise niemand erfahren soll. Und zweitens liefe ich Gefahr, dass du mir alles vermasselst, weil du mir dazwischen pfuschst!“ Da er schon wieder Anstalten machte, heftig zu reagieren, hob sie abwehrend beide Hände. „Keine Diskussionen mehr“, bestimmte sie. „Du machst deine Arbeit und ich meine! Okay?“
Vincent gab sich geschlagen. Ihm war nun mehr als bewusst, dass er nur dann weiter in Celiskas Behandlung mit einbezogen werden würde, wenn er kooperierte.
„Wie soll ich mich verhalten?“, fragte er in versöhnlichem Ton.
„Normal“, antwortete sie. „Tu so, als würdest du dich gar nicht mehr für sie interessieren. Dann kommt sie vielleicht noch öfter aus ihrem Kabuff heraus.“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn und kaute auf ihrer
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