Hexenjagd
völlig allein auf dem langen Gang. Enttäuscht wollte sie schon in ihr Zimmer zurückgehen, da entdeckte sie den Mann und die junge Frau, die ganz hinten in einem Winkel des Flurs nah beieinander standen und vertraulich tuschelten. Drauf und dran, die Freundin auf sich aufmerksam zu machen, vernahm sie deren leises Lachen und fühlte einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend, als auch der Mann zu lachen begann. Also hatte sich Venice doch für einen anderen entschieden, dachte Celia, und verzog sich schleunigst in ihr Zimmer, bevor man auf sie aufmerksam werden konnte. Doch dann erinnerte sie sich: Das Mädchen hatte niemals gesagt, es würde Nicholas ernsthaft in Erwägung ziehen. Von Beginn an war immer nur von Victor die Rede gewesen!
Das leise Ziehen an ihrem Herzen wurde heftiger, so dass Celia mit einem Mal das Gefühl hatte, jemand habe es gepackt, um es in seiner Faust zu zerquetschen. Aber wie konnte das sein, fragte sie sich erschrocken. Sie fürchtete den Mann doch – wie den Leibhaftigen höchstpersönlich! Und trotzdem spürte sie nichts als reine Eifersucht, wenn sie ihn in der Gesellschaft einer anderen Frau sah? Eigentlich sollte sie doch froh sein, dass seine Aufmerksamkeit einer anderen galt. Damit war sie doch sicher vor ihm!
Celia war hin- und hergerissen. Zum einen war sie zutiefst beschämt, weil sie Venice das Glück mit Victor nicht gönnte. Zum anderen verspürte sie maßlosen Zorn auf den Mann, weil er so unverschämt gut aussah und ihm die Herzen der Frauen daher nur so zuflogen. Teufelswerk, versuchte sie sich selbst zur Räson zu bringen, als der Tumult ihrer Emotionen ihr Herz rasen und die Hände zittern ließ. Es konnte gar nicht anders sein. Wie sonst konnte er solche Macht über sie erlangen? Nein, wies sie diese Beschuldigung sofort wieder von sich. Er war kein Teufel. Er war nur … er war bloß ein ganz gewöhnlicher Mann!
Als sie sich nicht länger beherrschen konnte, ließ sie ihren Tränen schließlich freien Lauf, während ihre Gedanken sich immerfort nur um Victor drehten. Er hatte nichts getan, gestand sie sich endlich ein. Weder hatte er sie zu etwas gezwungen noch jemals etwas Ungehöriges von ihr verlangt. Für die Gefühle in ihrem Innern war nur sie allein verantwortlich! Ja, erkannte sie nun voller Scham. Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an begehrt wie nichts anderes auf der Welt! Der Wunsch, sich in seine Arme zu stürzen, um von ihm gehalten und leidenschaftlich geliebt zu werden, war von Beginn an allein in ihrem Kopf gewesen. Nur hatte sie es sich nicht eingestanden, sondern stattdessen ihn verdammt. Dabei ahnte er vielleicht noch nicht einmal, was sie für ihn empfand.
„Hei Celiska!“ Verena hatte zwar angeklopft, aber nicht auf eine Aufforderung gewartet, um die Tür zu öffnen. Nun blieb sie wie vom Donner gerührt stehen, denn der Anblick der völlig aufgelösten Freundin erschreckte sie über alle Maßen, zumal sie nicht gleich nachvollziehen konnte, was der Auslöser für diesen Gefühlsausbruch war.
„Hallo Verena“, schluchzte die Angesprochene, „komm rein und mach die Tür zu.“
Die Besucherin brauchte einen Augenblick, bis ihr aufging, dass sie mit ihrem richtigen Namen angesprochen worden war. Aber obwohl sie sich unbändig freute, dass ein weiterer Schritt in die richtige Richtung getan war, blieb sie äußerlich völlig ruhig.
„Was ist denn los?“, fragte sie leise. „Warum heulst du denn? Ist was passiert?“
Celia schüttelte bloß den Kopf. Wenn sie jetzt eine Antwort gab, dachte sie unglücklich, würde sie unweigerlich die volle Wahrheit sagen. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte Verena kein Geständnis machen, weil sich die Freundin dann unnötig ein schlechtes Gewissen einreden würde. Victor hatte sich ohnehin entschieden, also wozu sollte man da noch die eigene Liebe zu ihm offenbaren. … Liebe? Ja, tatsächlich, erkannte sie betroffen. Sie liebte ihn wirklich. Auch wenn es kitschig und albern klang, sie hatte sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Aber es war nicht so, wie Lady Rebekka gesagt hatte. Es war nicht einfach nur das körperliche Verlangen, das sie in seine Arme treiben wollte – es war viel mehr! Wenn er nicht in ihrer Nähe war, fühlte sie sich allein und unvollkommen, als fehlte ihr ein Teil ihrer selbst. Und wenn es vonnöten gewesen wäre – sie hätte ihr Leben für ihn gegeben. Ja!
„Ich werde mich wahrscheinlich demnächst verloben“, erzählte Verena unterdessen, wobei sie durchaus
Weitere Kostenlose Bücher